Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

EU fürchtet neue Flüchtling­skrise

Türkei lässt Migranten an den Grenzen durch – Grüne fordern Aufnahme

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PAZARKULE/BRÜSSEL/BERLIN (AFP/ dpa/epd) - Angesichts der Eskalation des Konflikts in Syrien befürchtet die Europäisch­e Union eine neue Flüchtling­skrise. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan öffnete wegen der Kämpfe um die Provinz Idlib im Nordwesten Syriens die Grenzen seines Landes zur EU. Tausende Migranten aus der Türkei versuchten daraufhin, über die Grenze nach Griechenla­nd zu gelangen. Die griechisch­e Polizei setzte Tränengas und Wasserwerf­er ein. Die EU reagierte besorgt. Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen sagte Griechenla­nd und Bulgarien Unterstütz­ung zu. Am Sonntag teilte eine Frontex-Sprecherin mit, dass die EU-Grenzschut­zbehörde auf Bitten Griechenla­nds die Entsendung von zusätzlich­en Beamten veranlasst habe. Die Frontex-Alarmstufe für alle EU-Grenzen zur Türkei sei auf „hoch“angehoben worden.

Die Regierung in Athen warf der Türkei vor, Migranten mit falschen Informatio­nen dazu zu bewegen, sich auf den Weg in die EU zu machen. „Wir haben die Tore geöffnet“, hatte Erdogan am Samstag in Istanbul gesagt. Sein Land könne so viele Migranten nicht versorgen, so Erdogan weiter. In der Türkei leben etwa 3,6 Millionen Flüchtling­e aus Syrien. Die EU müsse ihre „Verspreche­n halten“und ihren „Teil der Last“übernehmen. Laut Innenminis­ter Süleyman Soylu brachen bis Sonntagabe­nd mehr als 100 000 Flüchtling­e in der Türkei Richtung Edirne auf. Die Provinz im Nordwesten grenzt an die EU-Staaten Griechenla­nd und Bulgarien. Die UNO hatte am Samstagabe­nd

von 13 000 Flüchtling­en an der türkisch-griechisch­en Grenze gesprochen.

Aus der griechisch­en Regierung hieß es, binnen 24 Stunden seien fast 10 000 Migranten am „illegalen“Grenzübert­ritt gehindert worden. Hunderte wurden festgenomm­en. Die griechisch­e Polizei drängte die Flüchtling­e am Grenzüberg­ang Pazarkule am Samstag mit Tränengas zurück, einige Migranten – zumeist aus Afghanista­n, Syrien und dem Irak – warfen mit Steinen. Trotzdem harrten Tausende an der Grenze aus, im Laufe des Sonntags trafen weitere Migranten aus Istanbul ein. Auch Bulgariens Regierung betonte am Sonntag, dass kein einziger Migrant die Grenze illegal passiert habe.

Während die Türkei auch am Sonntag ihre Vergeltung­sangriffe in

Syrien fortsetzte, begann in Berlin eine Debatte über den Umgang mit den Migranten. Grünen-Chefin Annalena Baerbock schlug in der „Welt“eine Kontingent­lösung zur Aufnahme der Migranten an der türkisch-griechisch­en Grenze vor, an der sich auch die Bundesrepu­blik beteiligen soll. Deutschlan­d solle zudem vorausscha­uend seine eigenen Kapazitäte­n an Flüchtling­sunterkünf­ten wieder aktivieren. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) warf der Türkei vor, mit „unlauteren Methoden und auf dem Rücken der Flüchtling­e“den Druck auf die Europäisch­e Union zu erhöhen. Die EU dürfe sich jedoch „nicht erpressen lassen“. Herrmann empfahl der EU, die Außengrenz­en möglichst schnell mit zusätzlich­en Frontex-Kräften zu schützen.

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FOTO: OZAN KOSE/AFP An der Grenze: Migranten versuchen nahe Edirne, von der Türkei nach Griechenla­nd zu gelangen.

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