Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Israel hat die Wahl – aber keine Aussicht auf eine stabile Regierung
Zum dritten Mal in einem Jahr dürfen 6,5 Millionen Menschen an die Urnen gehen – Die wichtigsten Informationen im Überblick
TEL AVIV (dpa) - Israel wählt an diesem Montag zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ein neues Parlament. Bereits zweimal kam nach vorgezogenen Wahlen keine Regierungsmehrheit von 61 der 120 Sitze zustande. Seit Ende 2018 führt eine Übergangsregierung unter dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu das Land. Die wichtigsten Punkte zur Parlamentswahl im Überblick:
Dritte Wahl innerhalb eines Jahres: Sowohl nach der Wahl im April als auch im September 2019 gelang es Netanjahu (70) nicht, eine rechts-religiöse Regierung zu bilden. Auch sein Herausforderer Benny Gantz (60) vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß konnte keine Koalition schmieden. Zwischen dem rechts-religiösen und dem Mitte-Links-Lager herrscht eine Patt-Situation. Hintergrund ist ein Streit des ultrarechten Ex-Verteidigungsministers Avigdor Lieberman mit religiösen Parteien, wegen dessen er nicht für eine rechts-religiöse Koalition zur Verfügung steht. Nach beiden Wahlen stimmte letztlich das Parlament für seine Auflösung.
Was sich geändert hat: Die Generalstaatsanwaltschaft hat im Januar eine Klage wegen Korruption in drei Fällen gegen Netanjahu eingereicht. Der Prozess beginnt mit der Verlesung der Anklage am 17. März – zwei Wochen nach der Wahl – vor dem Jerusalemer Bezirksgericht. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Regierungschef Betrug und Untreue sowie Bestechlichkeit vor. Israels höchstes Gericht wollte sich bisher nicht zu der Frage äußern, ob Netanjahu aufgrund der Klage nach der Wahl überhaupt den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten könnte. Neu ist ebenfalls, dass Netanjahu bereits vor der Wahl eine Vereinbarung mit den rechts-religiösen Parteien geschlossen hat, wonach sie nur mit dem Likud unter seiner Führung eine Regierung bilden werden.
Wie der Ministerpräsident gewählt wird: Der Ministerpräsident wird in Israel nicht direkt gewählt. Die Wähler können ihre Stimme für eine von rund 30 Listen abgeben. Wer es schafft, die Sperrklausel von 3,25 Prozent zu überwinden, kommt ins Parlament in Jerusalem, die Knesset. Der Präsident beauftragt üblicherweise den Vorsitzenden der größten politischen Kraft mit der Regierungsbildung. Der hat vier Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden, kann aber danach noch zwei Wochen Verlängerung beantragen. Er benötigt 61 von 120 Sitzen im Parlament für eine Mehrheit.
Wahlberechtigte: Knapp 6,5 Millionen der insgesamt rund 9,1 Millionen
Staatsbürger Israels sind nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees stimmberechtigt. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung sind Araber. Die Wahlberechtigten sind aufgerufen, in landesweit mehr als 10 600 Wahllokalen ihre Stimmen abzugeben. Die meisten Wahllokale sind in der Regel von 6 bis 21 Uhr geöffnet. Die Wahl kostet nach Angaben des
Finanzministeriums allein für das Wahlkomitee rund 392 Millionen Schekel (umgerechnet rund 105 Millionen Euro). Im April lag die Wahlbeteiligung bei gut 68 Prozent, im September bei knapp 70 Prozent.
Mögliche Auswirkungen auf das Verhältnis zu den Palästinensern: Eine erfolgversprechende Wiederaufnahme des Friedensprozesses gilt als unwahrscheinlich. Die Positionen von Netanjahu und Gantz in Bezug auf den Konflikt mit den Palästinensern ähneln sich. Nach der Präsentation des amerikanischen Nahost-Planes Ende Januar hatte Netanjahu angekündigt, die israelischen Siedlungen im Westjordanland und das Jordantal zu annektieren. Allerdings haben die USA deutlich gemacht, dazu müssten vorher entsprechende Landkarten ausgearbeitet werden. Gantz erklärte wiederum, er werde sich nach der Wahl für eine Umsetzung des Planes „in Zusammenarbeit mit anderen Ländern in unserer Region“einsetzen. Die Palästinenserführung hat ihn abgelehnt, weil der Plan aus ihrer Sicht Israel in allen strittigen Fragen bevorteilt und sie zu erheblichen Zugeständnissen an Israel zwingt.