Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wunderbar: Der Mali-Blues vom Meister der Ngoni
Großartiger Auftakt in die „JazzNights“mit Bassekou Kouyaté und seiner Band im Bahnhof Fischbach
Von Gudrun Schäfer-Burmeister
GFRIEDRICHSHAFEN - Stehtische mit Barhockern an den Seitenwänden und gedämpftes, warmes Licht sorgen für Lounge-Atmosphäre in den Publikumsreihen im Bahnhof Fischbach. Blues aus Westafrika steht auf dem Programm von Jazzport, Kulturbüro und Bodenseefestival. Dieser spezielle Blues hat sich aus europäischer und nordamerikanischer Sicht als afroamerikanischer Stil in den USA entwickelt.
Die Wurzeln jedoch stammen wie die seiner „Erfinder“von dem Kontinent, der auch als Wiege der Menschheit bezeichnet wird. Sozusagen die Großeltern des Blues sind die Griots; Barden, die in Mali, Gambia, Guinea und Senegal bis heute ihre Geschichten zu Musik vortragen. Ihr Hauptinstrument ist seit dem 13. Jahrhundert die Ngoni, der Großvater der Gitarre, so erzählt es Bassekou Kouyaté. Das Banjo sei der Vater und die Gitarre der Enkel. Bassekou Kouyaté ist der Meister des NgoniSpiels. Er hat die viersaitige Langhals-Spießlaute zum Teil mit weiteren Saiten bestückt sowie das Zupfinstrument elektrisch aufgerüstet und an den Verstärker angeschlossen. Seit den Neunzigerjahren tritt er mit seiner Weiterentwicklung der Griot-Musik, in deren Tradition er in Mali aufgewachsen ist, sehr erfolgreich auf den Bühnen der weltweiten Musikszene auf.
Zur Band Ngoni ba gehören Bassekou Kouyatés Familienmitglieder. Die charismatische Sängerin Amy Sacko ist seine Frau, ihr Sohn Moustapha Kouyaté spielt Bass-Ngoni, Bruder Moctar Kouyaté sorgt für die Percussion an Kalebasse und Becken, Neffe Mahamadou Tounkara ist ein Wirbelwind an Yabara und Tama. „Wunderbar“findet Bassekou das Publikum. Der Mann, der neben Französisch, der Landessprache Malis, Fula spricht, kann „zero“englisch und „zero to zero“deutsch, aber „wunderbar“klingt perfekt aus seinem Mund und passt jedes Mal, wenn er es ausspricht, was an diesem Abend ganz oft geschieht. Wunderbar ist nämlich auch sein NgoniSpiel – ob er sanft die Saiten zupft oder seine Hand zu vibrieren scheint, weil er die Finger so schnell bewegt, dass die einzelnen Bewegungen gar nicht mehr auszumachen sind. Währenddessen setzt er in aller Ruhe die Finger seiner linken Hand in kaum sichtbaren aber exakten Wanderungen entlang dem sehr schmalen Griffbrett der Ngoni.
Eine Einlage „African Blues not American Blues“mit Bottleneck lässt die Hände nahezu ineinander übergreifen und erzeugt Töne wie berstende Eiskristalle, ähnlich kratzender Tafelkreide, nur schöner. Wunderbar sind auch diese Kostproben der modernen westafrikanischen Musik, wobei Bassekou sein
Instrument einerseits wie eine orientalische Sitar klingen lassen kann und es andererseits spielt als wäre ein Solo von Jimi Hendrix zu hören. Rundum schön wird die Musik durch den Gesang der anmutigen Amy Sacko. „Tina Turner Malis“soll sie das britische Musikmagazin „MOJO“genannt haben, was sicher auf die Stimmgewalt zurückzuführen ist, mit der sie ihr Publikum in Bann zieht. Mit sanften Gesten unterstreicht sie ihren Gesang – und auch, wenn wahrscheinlich keiner im Saal die Sprache Fula versteht, ist die Faszination groß. Gespannt und aufmerksam sind aller Augen und Ohren Richtung Bühne gewandt, nur getanzt wird nicht so sehr, wie sich die Musiker das in der Zugabe wünschen. Dafür ist die Begeisterung über Mahamadou Tounkara umso größer. Mit Yabara, einer Art Kürbisrassel mit Perlennetz und Tama, einer Trommel, die unter den Arm geklemmt und mit einem Krummstock geschlagen wird, tanzt er wie ein Derwisch. Einfach wunderbar.