Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Europaabgeordneter bricht beim Funkensonntag in Gattnau Lanze für Friedrich Merz
Norbert Lins spricht bei der Traditionsveranstaltung der Kressbronner CDU im „Rössle“– Lage der Christdemokratie ist ebenso Thema wie die Landwirtschaft
Von Siegfried Großkopf
GGATTNAU - Die aktuelle Europapolitik vom Brexit über den Klimaschutz bis zur Kennzeichnung von regionalem Obst in den Supermarktregalen hat der Europaabgeordnete Norbert Lins zum traditionellen Funkensonntag der Kressbronner CDU ins „Rössle“nach Gattnau mitgebracht. Auch mit seiner Meinung hat er nicht hinter dem Berg gehalten, wen er für den besten CDU-Bundesvorsitzenden hält: Friedrich Merz nämlich.
Ortsvorsitzender Karl Bentele äußerte zur Begrüßung die Hoffnung, sich als CDU bei den Bundestagswahlen 2021 wieder früheren Ergebnissen annähern zu können, in einer Zeit, in der die Welt in Bewegung und Orientierung nötig sei. Dabei erinnerte er den Europaabgeordneten Norbert Lins, zugleich Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in der EU, an die vielen Sorgen der Landwirte und Obstbauern.
Lins begrüßte die Entscheidung der CDU in Baden-Württemberg, sich für Merz als Bundesvorsitzenden auszusprechen, und beleuchtete die problematische Wahlstrategie der Union in Thüringen, wo man im Oktober 2019 mit um die 21 Prozent das historisch schlechteste Wahlergebnis eingefahren hat. Zu Zeiten des Ministerpräsidenten Bernhard Vogel waren es über 40 Prozent. Es sei von den thüringischen Kollegen völlig in Ordnung gewesen, neben Bodo Ramelow einen weiteren Kandidaten aufzustellen. Den größten Fehler habe die FDP gemacht, als deren Kandidat die Wahl mit den Stimmen der AfD annahm.
Übers jetzige Kandidaten-Casting für den Bundesvorsitz mit Wahl am 25. April ist er froh. Er habe vor, Merz zu wählen. Der hat nach seiner Überzeugung das beste Konzept. Lins verbindet mit Merz die Hoffnung, dass er in der Lage ist, als Kanzlerkandidat ein Wahlergebnis deutlich über 30 Prozent erreichen zu können.
Vor der deutschen Ratspräsidentschaft im Europaparlament (der ersten seit 13 Jahren von Juli bis Dezember 2020) erwartet Lins in Sachen
Brexit harte Auseinandersetzungen, nachdem sich Großbritannien aus Handelsvereinbarungen die Rosinen (Zugang zu Banken auf dem Kontinent)
herauspicken und alles Belastbare nicht mehr haben wolle. Lins rechnet damit, dass es bis zu Abschlüssen Monate dauern könnte.
Von den Vereinbarungen sei nicht zuletzt die Landwirtschaft betroffen, da sich Großbritannien nur zu 60 Prozent selbst versorgen könne. Begriffen werden müsse auf der Insel, fair miteinander umzugehen, dann könnten beide Seiten profitieren.
Norbert Lins ging auf den EUHaushalt bis 2027 und die Nettozahler-Debatte ein. Er rechnet mit einem Anstieg des deutschen Gesamtbeitrags und bat in der Diskussion, nicht nur über die Einzahlungen Deutschlands zu reden. Im Bereich der Forschung profitiere niemand mehr als Baden-Württemberg von der EU.
Im Bereich der Landwirtschaft setzt sich der stellvertretende CDUBezirksvorsitzende für eine größere Förderung kleinerer und mittlerer Betriebe (zwischen fünf und 250 Hektar) ein. Er hofft, bis Mitte Juni zu einer Entscheidung zu kommen, die die unterschiedlichen Interessenlagen berücksichtigt. Der durchschnittliche Betrieb in Baden-Württemberg verfügt über eine Anbaufläche von 36 Hektar, in Tschechien sind es 134, in Slowenien sieben.
Enttäuscht sind viele Obstbauern vom Einkaufsverhalten vieler Kunden. 72 Prozent von ihnen sagen in Umfragen, sie würden höhere Preise für mehr Tierwohl und Pflanzenschutz zahlen, tatsächlich sind es aber nur 16 Prozent. Norbert Lins sprach sich für eine entsprechende Diskussion in der Gesellschaft und nicht nur unter Landwirten und Experten aus.
In öffentlichen Diskussionen würde die Landwirtschaft oft „in die Ecke“gestellt. Beim Pflanzenschutz sprach er sich für eine ganzheitliche Debatte und in der Klimadiskussion für mehr Ehrlichkeit aus. China, die USA und Indien seien für mehr als die Hälfte der ausgestoßenen Emissionen verantwortlich. Sie müsste Deutschland überzeugen, mehr zu tun. Allerdings dürften die EU und Deutschland keinen wirtschaftlichen Niedergang produzieren, ansonsten sähen sich die Adressaten in der Meinung bestärkt, „wie die dürfen wir das nicht machen“.
Über die sich anschließende Diskussion berichtet die SZ noch.