Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mehrheit der Räte will eine Unterführung
Dafür sollen am Lotzbeck-Bahnübergang Schrebergärten und 25 Bäume weichen
Von Julia Baumann
GLINDAU - Der neue Lotzbeck-Bahnübergang wird ein Jahrhundert-Bauwerk. Immerhin bildet er als Teil des Bodensee-Radwegs ein wichtiges Tor zur Insel, tausende Radler und Fußgänger queren ihn bei gutem Wetter jeden Tag. Sie sollen ab 2023 unter den Bahngleisen durchgeführt werden, entschied die Mehrheit der Stadträte am Donnerstagabend. Und sprach sich damit gegen die Empfehlung der Verwaltung aus.
Jeder Lindauer kennt das typische Bild, wenn die Schranken an diesem Bahnübergang geschlossen sind: Vor allem im Sommer bilden sich dort regelrechte Staus, immer wieder klettern Fußgänger und Radler einfach über die Schranken, wenn sie ihnen zu lange geschlossen sind. Wer es gemütlicher angeht und auf der richtigen Seite steht, trinkt einen Café am mobilen Kaffee-Stand.
Ab 2023 wird es keine Wartezeiten mehr geben. Denn die Nutzungserlaubnis für den bestehenden Bahnübergang läuft aus, ein sogenanntes Kreuzungsbauwerk muss her. Das war eigentlich immer als Unterführung geplant, bis Oberbürgermeister Gerhard Ecker im Juli 2018 verkündete, dass nun doch alles anders sei. Wegen einer teuren Grundwasserwanne haben sich die anfänglichen Kosten von etwa fünf Millionen Euro für eine Unterführung mehr als verdoppelt.
Die Verwaltung hält mittlerweile einen Steg über die Gleise für sinnvoller. Der sei günstiger als eine Unterführung, für die außerdem 25 Bäume gefällt und Schrebergärten weichen müssten, wie Pius Hummler vom Tiefbauamt am Donnerstagabend erklärte.
Uli Kaiser (BL) brachte gleich mehrere Argumente vor, warum die Bunten trotzdem für eine Unterführung stimmen würden. Seiner Ansicht nach müsse man mit dem Landschaftsschutzgebiet am Giebelbach sensibel umgehen. „Nur, weil die Bahn einverstanden ist, knallen wir da eine Brücke hin“, sagte er. Außerdem wolle, wer den Bahnübergang täglich kreuze, den schnellsten Weg von A nach B nehmen. Und das sei eben die Unterführung.
Jürgen Müller (LI) zeigte sich vom Sinneswandel der Verwaltung überrascht. Schließlich sei man lange von einer Unterführung ausgegangen. „Die Nachteile einer Unterführung wurden uns damals nicht dargelegt.“Er vermutet, die Verwaltung wolle den Räten die Steglösung gezielt „schmackhaft machen“.
Pius Hummler entgegnete, dass sich nach Ansicht der Verwaltung eine Brücke besser ins Stadtbild einfügen würde. Außerdem müssten dafür zehn Bäume weniger gefällt werden als für eine Unterführung.
Angelika Rundel (SPD) erinnerte an die besondere Verantwortung der Räte für dieses „Jahrhundert-Bauwerk“. Für sie bedeute eine Unterführung den geringsten Eingriff ins Landschaftsbild. Sie sei außerdem die kürzeste Verbindung für alle Verkehrsteilnehmer. „Mit Rollstuhl oder Kinderwagen sind 300 Meter mehr viel“, gab sie zu bedenken. Außerdem
befürchte sie, dass die Bahn eine eher zweckmäßige Brücke planen würde, die dann nicht besonders schön würde. Auch Ulrich Jöckel (FDP), Günther Brombeiß (FB) und Xaver Fichtl (ÖDP) sprachen sich gegen eine Brücke aus, ebenso wie Roland Freiberg (BU). „Wir wollen keinen Aussichtspunkt an dieser Stelle schaffen“, sagte er. Und weil es ein Bauwerk für die nächsten hundert Jahre sei, ginge es darum, eine Lösung mit der größtmöglichen Akzeptanz zu finden. Auch Mathias Hotz (JA) sieht in einer Unterführung „aus Nutzersicht klare Vorteile“. Einer davon sei, dass die Brücke mit einer Breite von fünf Metern, die Unterführung hingegen mit einer Breite von 6,5 Metern geplant sei. „Man kennt ja den Stau vor den Schranken“, erinnerte Hotz an die hohe Frequenz des Bahnübergangs.
Am Ende stimmten die Räte mit 18 zu sieben Stimmen für die teurere Variante einer Unterführung, die ähnlich aussehen soll wie die an der
Bregenzer Straße und links und rechts mit Pflanzentrögen begrünt werden soll. Die CSU und die Freien Wähler stimmten dagegen. „Wir bevorzugen die Unterführung, weil sie weniger eingreift in den Boden und die Kleingärtneranlagen“, erklärte Andreas Reich (FW).
Er verstehe nicht, warum man so viel Geld einfach für Bequemlichkeit ausgibt, sagte Thomas Hummler (CSU). Das Geld fehle der Stadt für ihre Pflichtaufgaben wie dem Schulneubau. Tatsächlich ist die Unterführungs-Variante, für die sich sie Stadträte entschieden haben, laut Vorlage vier Millionen teurer als der von der Verwaltung favorisierte Steg: Die Projektkosten sind mit 14,2 Millionen beziffert, beim Steg wären es lediglich 10,2 Millionen. Allerdings ist hinsichtlich der Finanzierung sowieso noch einiges unklar. Laut Verwaltung könnte sich der Anteil der Stadt nämlich erheblich verringern, weil der Bundestag Ende Januar ein Gesetz beschlossen hat, mit dem Kommunen
bei Änderungen von Bahnübergängen entlastet werden sollen. Wenn das Gesetz auch bereits beschlossene oder geplante Maßnahmen mit einschließt, dann würde laut Pius Hummler der städtische Eigenanteil der Stadt für die Unterführung bei 5,2 Millionen liegen. Bei der günstigeren und weniger aufwendigen Brücke, die deswegen als Referenz definiert sei, würde er sogar ganz entfallen. Das wollten einige Räte so nicht hinnehmen. Die Verwaltung solle prüfen, ob die Regierung von Schwaben auch die günstigere Unterführungsvariante, die 13 Millionen kosten würde, als Referenz akzeptiere, so Uli Kaiser. Dann läge die Differenz zwischen der günstigsten Variante und dem Wunsch des Stadtrats nur noch bei 1,2 Millionen und der Anteil der Stadt an den Kosten würde sich noch verringern. Angelika Rundel bat die Verwaltung außerdem zu prüfen, ob die Stadt für das Bauwerk auch EUFördermittel erhalten könnte.