Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Heftiger“Tritt gegen den Kopf
Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt
GLINDAU - Der Streit zwischen zwei Frauen nennt der Richter „Stutenbissigkeit“– und verurteilt die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung. Sie hat eine Freundin getreten. Das Urteil hätte sogar wesentlich höher sein können.
Zwei Mal soll sie zugetreten haben: Ein Mal in den Bauch, dann noch gegen den Kopf des Opfers. Das wirft Staatsanwältin Julia Rädler der Angeklagten vor dem Amtsgericht Lindau vor. Den Tritt gegen den Kopf gibt die Angeklagte zu. Gegen die Stirn habe sie getreten. Wie genau? Das wisse sie nicht mehr. Aber leicht sei der Tritt gewesen. Denn just in der Bewegung sei ihr klar geworden, dass es falsch ist. Den Tritt gegen den Bauch streitet sie aber ab. Ganz sicher habe die Angeklagte ihr aber zuerst in den Bauch getreten, sagt das Opfer aus. Tagelang habe sie Schmerzen gehabt. „Heftig“sei der Tritt gewesen, sagt ein Zeuge. „Wie ein Spannstoß beim Fußball.“So stand die Frage im Raum: ist es eine einfache Körperverletzung oder eine gefährliche? Richter Klaus Harter folgt der Staatsanwaltschaft und spricht eine Strafe von acht Monaten auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung gegen die alleinerziehende Mutter aus. Zudem muss sie 2 000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.
Anfang des vergangenen Jahres ereignete sich die Tat. Weit nach Mitternacht. Zuvor ging die Angeklagte zusammen mit zwei Freunden – die sie im Prozess belasten sollten – in ein Lokal, um „einfach was zu trinken“, wie der Zeuge vor Gericht aussagt. Wie denn die Alkoholbelastung gewesen war, wollte Richter Harter wissen. „Gut“, sagt der Zeuge und lacht. Erinnern könne er sich an den Abend aber noch sehr gut. Richter Harter lacht nicht.
Im Lokal trafen sie auf das spätere Opfer. Zufällig? Jedenfalls kennen sich alle Beteiligte schon länger. Man stritt öfters miteinander, man versöhnte sich auch immer wieder. So auch an besagtem Abend. Da gerieten die Frauen in Streit. Klar ist: Die Angeklagte und ihre zwei Begleiter verließen das Lokal wenig später. Das Opfer wartete zwei Minuten. „Ich wollte keinen Stress“, sagt sie aus. Den gab es dann aber. Denn wenig später trafen die junge Leute wieder aufeinander und es kam zum Streit. Und das spätere Opfer lag plötzlich am Boden. Wie es dazu kam? Sie ist einfach umgekippt, sagt die Angeklagte. „Die ganze Situation war zu viel für mich“, sagt das Opfer im Prozess selbst. Was wann war, und wer wen dabei beleidigte, das sei die Randgeschichte, erklärt Richter Harter, und nicht interessant.
Interessant sei das Kerngeschehen. Und das ist klar, da Opfer und die Zeugen identisch aussagen. Und die Zeugen seien schließlich mit der Angeklagten befreundet, sagt Verteidiger Markus Ammann. Warum sollten sie sie in irgendetwas hineinreiten, fragt er. „Ich habe zugetreten und das Opfer beleidigt“, gibt die Angeklagte zu. „Ich bin noch nie ausgerastet“ sagt sie. „Dann aber wohl komplett“, fragt Richter Harter, „Ja“, sagt sie kleinlaut und entschuldigt sich beim Opfer. Die Tritte seien heftig gewesen, sagen die Zeugen. „Es war ein Tritt mit der Haxe gegen den Kopf.“
Wie ein Sack Kartoffeln sei das Opfer auf dem Boden gelegen, sagt einer. Der Tritt auf den Hinterkopf sollte im Prozess eine gewichtige Rolle spielen. Das Opfer liegt am Boden, die Täterin tritt ihr gegen den Kopf. Hier das wehrlose Opfer, dort die brutale Täterin. Tritte gegen den
Kopf stellen juristisch gesehen grundsätzlich immer eine das Leben gefährdende Handlung dar und erfüllen den Straftatbestand einer gefährlichen Körperverletzung“, erläutert Staatsanwältin Rädler. Da könne der Vorwurf auch mal versuchte Tötung lauten, sagt sie. Vor allem, wenn man fest und mit Wucht zutrete. So weit würde sie hier aber nicht gehen. Richter Harter folgt der Staatsanwältin und setzt die Bewährungsfrist auf drei Jahre fest. In der Zeit dürfe aber nichts passieren, mahnt er. „Sie haben es nun in der Hand.“