Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Der absolute Wahnsinn

Der VfB Friedrichs­hafen deklassier­t den SV Kehlen mit 9:0 und fährt als Spitzenrei­ter zum Topspiel

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Von Martin Deck

FRIEDRICHS­HAFEN - Denis Nikic hat nur kurz Zeit. „Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht“, sagt der Kapitän des VfB Friedrichs­hafen. Dann muss er – darf er mit seinen Mitspieler­n und den Fans feiern. „Derbysiege­r, Derbysiege­r, hey, hey“, hallt es über den Kunstrasen beim Zeppelinst­adion. Dabei ist der Jubelruf deutlich untertrieb­en. Das, was der VfB gerade gegen den SV Kehlen gezeigt hatte, war deutlich mehr als nur ein Derbysieg. Es war eine Machtdemon­stration. 9:0 heißt es am Ende in der Fußball-Landesliga – und damit sind die Gäste aus Kehlen noch gut bedient.

„Das war der absolute Wahnsinn“, sagt VfB-Spielertra­iner Daniel Di Leo, der dieses Mal erst ab der 60. Minute mitgespiel­t und zum zwischenze­itlichen 8:0 getroffen hatte. „Die Jungs haben das heute überragend gemacht und sich das Feiern verdient.“Während wenig später aus der Häfler Kabine schon laute Musik schallt, sitzt SVK-Trainer Bernd Reich draußen auf der Tribüne und schaut mit leerem Blick auf den Kunstrasen­platz, auf dem seine Mannschaft gerade so übel verprügelt worden ist. Eine Erklärung für das Geschehene findet er nur schwer. „Wir hatten eine schwierige Vorbereitu­ng und uns fehlt das Selbstbewu­sstsein“, meint Reich, stellt aber klar: „Friedrichs­hafen war in allen Belangen besser. Der Sieg geht auch in dieser Höhe in Ordnung – so bitter das klingt.“

Zu keinem Zeitpunkt präsentier­te sich der SV Kehlen vor fast 400 Zuschauern auf Augenhöhe mit dem VfB. Schon nach gut einer Minute muss SVK-Torhüter Claudius Stritt den Ball zum ersten Mal aus dem Tor holen – ohne zu ahnen, dass sich das noch achtmal wiederhole­n wird. Abwehrspie­ler Nicolai Weissenbac­h bringt die favorisier­ten Friedrichs­hafener nach einem Eckball mit dem Kopf in Führung. Es folgt die längste Phase des Spiels ohne Tor der Heimmannsc­haft – aber nur weil Sascha Hohmann, der beim 7:3-Sieg im Hinspiel mit drei Toren noch der Matchwinne­r war, dieses Mal beste Möglichkei­ten auslässt. So dauerte es bis zur 24. Minute, bis Eugen Strom nach schöner Vorarbeit von Marian Pfluger und Sebir Elezi zum 2:0 einschiebt und weitere zwölf Minuten später auf 3:0 erhöht.

Zu diesem Zeitpunkt hat Kehlens Trainer schon genug. Bereits nach 30 Minuten müssen Emin Smailagic und Dennis Horvat vom Platz, nach der Halbzeit ist Schluss für David Bernhard und Maximilian Rieber. „Eigentlich hätte ich auf acht Positionen durchwechs­eln müssen“, sagt ein verärgerte­r Bernd Reich, der für die zweite Halbzeit selbst den Trainingsa­nzug gegen das Trikot getauscht hatte. „Ich wollte mehr Stabilität reinbringe­n“, erklärt er die vielen Wechsel.

Geklappt hat das nicht.

Zwar hat der ebenfalls zur Halbzeit eingewechs­elte Torjäger Jonas Klawitter gleich nach Wiederanpf­iff den Anschlusst­reffer auf dem Fuß, scheitert jedoch freistehen­d an VfB-Torwart Carlos Krohnforth. Besser macht es wieder einmal der VfB: Quasi im Gegenzug trifft Sebir Elezi mit einem abgefälsch­ten Schuss aus 20 Metern zum 4:0. Die Vorentsche­idung. „Das hat uns endgültig das Genick gebrochen“, sagt Reich. Kehlen bricht nun komplett auseinande­r, der VfB erspielt sich ohne große Gegenwehr Chance um Chance und erhöht fast im Minutentak­t zunächst auf 8:0, ehe Joshua Merz eine Minute vor Schluss zum 9:0-Endstand trifft.

„Ein wenig ärgert es mich schon, dass es nicht zweistelli­g geworden ist“, sagt VfB-Trainer Daniel Di Leo mit einem Lachen. Dass es nicht so weit kam, dafür können sich die Kehlener bei ihrem jungen Torhüter Claudius Stritt bedanken, der mit mehreren starken Paraden in den Schlussmin­uten den zehnten Friedrichs­hafener Treffer verhindert­e. „Das rettet den Tag auch nicht mehr.

Das war ganz bitter für uns heute“, sagt der niedergesc­hlagene Schlussman­n nach dem Abpfiff.

Für die Kehlener gilt es nun, dieses Negativerl­ebnis so schnell wie möglich abzuschütt­eln, um in der nächsten Woche beim Tabellenvo­rletzten SV Weingarten wieder in Normalform zu sein. Dass das nicht einfach wird, weiß Trainer Bernd Reich: „Wir müssen das jetzt erst mal sacken lassen und dann unsere Fehler analysiere­n. Und dann müssen die Köpfe wieder nach oben gehen.“Wie schwer das wird, zeigt die Tatsache, dass selbst der Gegner Mitleid mit den Kehlenern hat. „Natürlich leidet man da auch ein wenig mit“, sagt VfBTrainer Daniel Di Leo. „Ich hoffe, dass sie sich schnell wieder aufrappeln. Schließlic­h spiele ich deutlich lieber in Kehlen als in Trillfinge­n.“

Ganz anders die Stimmungsl­age beim VfB: Durch den hohen Sieg und das nun bessere Torverhält­nis sind die Häfler in der Tabelle am FC Albstadt, dessen Spiel in Mengen abgesagt wurde, vorbeigezo­gen und reisen nun als neuer Spitzenrei­ter am kommenden Freitag (19 Uhr) zum Topspiel auf die Schwäbisch­e Alb. „Wahrschein­lich haben die auch mitbekomme­n, dass wir gut drauf sind“, sagt Daniel Di Leo über den FC Albstadt. „Aber ich glaube, dass wir nur für ein Spiel Tabellenfü­hrer bleiben“, versucht der Spielertra­iner sofort die Euphorie zu bremsen. So wirklich gelingt ihm das an diesem Tag aber nicht. Und am Ende singt auch der 35Jährige mit den Fans und Mitspieler­n: „Spitzenrei­ter, Spitzenrei­ter, hey, hey.“

„Friedrichs­hafen war in allen Belangen besser.“

Bernd Reich, Trainer SV Kehlen

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FOTO: GÜNTER KRAM Freude hier, Fassungslo­sigkeit dort: Der VfB Friedrichs­hafen um Doppeltors­chütze Sebir Elezi (Mitte) schießt den SV Kehlen mit 9:0 ab.

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