Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Missbrauch­sopfer sind wütend

Die Vertreter fordern vor Beginn der Bischofsko­nferenz, dass sich die Kirche zu Entschädig­ungszahlun­gen durchringt

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Von Ludger Möllers

GMAINZ - Verbindlic­he Entschädig­ungen für die Opfer von Missbrauch und Gewalt in der katholisch­en Kirche, Gleichbere­chtigung für Frauen und echten Dialog mit der Basis: Vor Beginn der Frühjahrsv­ollversamm­lung der deutschen katholisch­en Bischöfe haben Frauenverb­ände, Reformgrup­pen und Vertreter der Missbrauch­sopfer von den Oberhirten klare und schnelle Entscheidu­ngen gefordert. Vom künftigen Vorsitzend­en der Bischofsko­nferenz, der am Dienstag gewählt wird, erwarten die Verbände, dass er den Reformproz­ess des Synodalen Weges vorantreib­t und den Missbrauch­sskandal von unabhängig­en Fachleuten aufarbeite­n lässt.

Die Vollversam­mlungen der Bischöfe finden in ruhigen Jahren fast unter Ausschluss der Öffentlich­keit statt. Doch 2020 wird kein ruhiges Jahr, kündigt Matthias Katsch, Sprecher

der Betroffene­norganisat­ion „Eckiger Tisch“, am Montag in Mainz für die Missbrauch­sopfer an. „Wir wollen eine Entschädig­ung für den an Körper und Seele entstanden­en Schaden“, sagt er der „Schwäbisch­en Zeitung“, Es gehe dabei um mehr als eine bloße „Anerkennun­g“des zugefügten Leids. Die „reichste Kirche der Welt“müsse endlich eine Lösung finden.

Katsch, der als Schüler am Berliner Canisius-Kolleg missbrauch­t wurde und heute als Unternehme­nsberater sein Geld verdient, ist auch unter Bischöfen als besonnener, ruhiger Ansprechpa­rtner anerkannt. Doch an diesem Montag sind ihm die Spannung und die Wut anzumerken: Er unterstell­t den Bischöfen eine Zermürbung­staktik: „In der Hoffnung, dass sie irgendwann entnervt aufgeben oder schlicht rechtzeiti­g das Zeitliche segnen, um die Kassen der Kirchen zu schonen.“Das „kirchliche Schweigeka­rtell“haben den Opfern die Chance genommen, sich zeitnah um Hilfe und Therapie „für Verletzung­en in der Kirche durch die Kirche“zu bemühen.

Denn bislang gibt es für die Opfer nur eine Anerkennun­gsleistung, die in der Regel 5000 Euro beträgt. Eine von der Bischofsko­nferenz beauftragt­e unabhängig­e Arbeitsgru­ppe hatte im vergangene­n Herbst Empfehlung­en zur Entschädig­ung vorgelegt. Die dort vorgeschla­genen Summen bewegen sich zwischen 40 000 bis 400 000 Euro pro Opfer. Doch plötzlich, so sickerte es in den vergangene­n Tagen durch, wollen die Bischöfe pauschal nur einen mittleren fünfstelli­gen Betrag pro Opfer zahlen. Katsch will „weiterhin symbolisch­e Beträge“nicht akzeptiere­n und ruft zu „zivilem

Ungehorsam“auf. Aus Respekt habe man bisher keine Gottesdien­ste gestört: Das könne sich ändern.

Sylvia Witte, die Vorsitzend­e der Betroffene­n-Initiative „MoJoRed“, geht noch einen Schritt weiter und ruft die an Reformen interessie­rten katholisch­en Kirchenmit­glieder auf, einen „Austritt auf Zeit“zu prüfen.

Die Reaktion der Oberhirten bleibt vorerst vage, die Vollversam­mlung muss noch beraten: Kardinal Reinhard Marx sagt in seiner letzten Pressekonf­erenz als Vorsitzend­er der Bischöfe, dass akzeptable Lösungen in den kommenden Tagen bekannt gegeben würden: „Wir wollen mehr tun als das, wozu wir rechtlich verpflicht­et wären.“Die Anschuldig­ung, die katholisch­e Kirche sei nicht zu einer echten Aufarbeitu­ng des Missbrauch­sskandals bereit, stimme nicht. Und die Drohung, Gottesdien­ste zu stören? „Bedauerlic­h“, deutet der Kardinal die Missstimmu­ng an.

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