Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zweimal Betriebsferien bei RRPS
Motorenbauer reagiert auf Konjunkturdelle, blickt aber optimistisch in die Zukunft
Von Martin Hennings
GFRIEDRICHSHAFEN - Mehr Umsatz, mehr Gewinn: Eigentlich sollten bei Rolls-Royce Power Systems mit Blick auf die Bilanzzahlen 2019 die Sektkorken knallen. Doch nicht nur das Corona-Virus, sondern auch die allgemeine konjunkturelle Lage und Finanzprobleme bei der englischen Konzernmutter trüben die Aussichten – mit Folgen für die Mitarbeiter in Friedrichshafen.
Dass der Motoren- und EnergieAnlagenbauer RRPS mit seiner Kernmarke MTU dem seit geraumer Zeit schwächelnden Mutterkonzern Rolls-Royce als willkommene Finanzstütze dient, ist ein offenes Geheimnis. Allzu viel dazu sagen konnten und wollten RRPS-Chef Andreas Schell, und die neue Finanzchefin des Konzens, Louise Öfverström, bei der Vorlage der Jahresbilanz 2019 am Montag aber nicht. Sie konzentrierten sich auf die von ihnen geführte AG, die mit einem Umsatz von 4,04 Milliarden Euro eine neue Rekordmarke gesetzt hat. Ziemlich konstant geblieben ist die Zahl der Mitarbeiter. 10 293 sind am Ende des Jahres 2019 gezählt worden. Davon arbeiten 6164 in Deutschland, die allermeisten (rund 5500) in Friedrichshafen. Das sind 400 weniger als im Vorjahr. Gewachsen ist die Zahl der Beschäftigten in Europa plus Mittlerem Osten und Afrika (2277, plus 150), in Amerika (903, plus 100) und in Asien (plus 80).
Schon Mitte 2019 hatte sich abgezeichnet, dass sich die Konjunktur im Motorenbau eintrüben wird. Die Nachfrage ging zurück, Kunden haben bestimmte Projekte verschoben, die Lager füllten sich. Das RRPS-Management hat darauf laut Andreas Schell schnell reagiert. Der Vertrieb sei intensiviert, die Kosten noch stärker in den Blick genommen worden. Alle Dienstreisen kamen auf den Prüfstand, ebenso Investitionen und Aufträge an externe Berater. Offenbar mit Erfolg: „Wir dürfen mit allen Mitarbeitern stolz sein, dass wir trotz der schwierigen Umstände ein so gutes Ergebnis abgeliefert haben“, sagte Finanzvorständin Öfverström.
Auch im laufenden Jahr versucht RRPS mit einem Bündel von Maßnahmen auf die Konjunkturdelle zu reagieren. So herrschte zu Beginn des Jahres eine Woche lang Betriebsruhe. Das soll in der Woche vor Ostern und der Woche nach Pfingsten wiederholt werden. Zudem absolvieren Teile der Produktion der Motorenbaureihe 4000 sechs Wochen lang eine Vier-Tage-Woche. In der zweiten Hälfte des Jahres hoffen die RRPS-Manager auf eine konjunkturelle Erholung, auch wenn beim Häfler Motorenbauer niemand abschätzen kann, welche Folgen das Auftreten des Corona-Erregers noch nach sich ziehen wird.
Unabhängig von KonjunkturPhasen und Virus-Unsicherheiten wollen Schell und Öfverström am Umbau des Konzerns arbeiten – weg vom Dieselmotorenbauer und hin zum Lösungsanbieter für Antrieb und Energieerzeugung. Dabei setzen sie auch auf das Programm „Fit2X“. Es steht auf vier Säulen. Demnach soll RRPS weiter wachsen und Gewinne machen, effizienter werden (zum Beispiel durch Digitalisierung oder Vereinfachung von Prozessen), sich auf zukunftsfähige Produkte konzentrieren und sich intern auf die neuen Herausforderungen des sich verändernden Marktes und der Digitalisierung einstellen. Louise Öfverström nennt „Fit2X“ein „Zukunftsprogramm, kein Restrukturierungsprogramm“. Deshalb sei auch „kein fixer monetärer Betrag festgelegt“, der auf diese Art und Weise einzusparen ist. Ziel müsse sein, „personelle und finanzielle Ressourcen optimal einzusetzen“, sagte Schell.
Der Rahmen für all diese Überlegungen ist die Standort- und Beschäftigungssicherung bis Ende 2023. Sie schließt betriebsbedingte Kündigungen an den deutschen RRPS-Standorten aus, erlaubt aber – auf der Basis der Freiwilligkeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer – den Abbau von bis zu 550 Stellen. Dass es beim Thema Unternehmenskultur noch Handlungsmöglichkeiten gebe, habe laut Schell eine Mitarbeiterbefragung im vergangenen Jahr ergeben.
Als Folge daraus werde man daran arbeiten, starre Strukturen aufzubrechen, mehr Eigeninitiative der Mitarbeiter zu fördern und eine möglichst offene Feedbackkultur zu etablieren.
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