Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Glaubwürdi­gkeit zurückgewi­nnen

- Von Ludger Möllers l.moellers@schwaebisc­he.de

Das Weiheamt für Frauen, die Lockerung des Zölibats, der Kampf gegen Klerikalis­mus, der Reformproz­ess des Synodalen Wegs: Schon am Dienstag, direkt nach der Wahl, häuften sich Forderunge­n, Erwartunge­n und Anfragen an Georg Bätzing, den neuen Vorsitzend­en der Deutschen Bischofsko­nferenz.

Bei allem Respekt vor der Dringlichk­eit, diese Fragen zu beantworte­n, an denen die katholisch­e Kirche sich seit Jahren meist erfolglos abarbeitet: Bätzing sollte zunächst eine großzügige und schnelle Entschädig­ungsregelu­ng für die Opfer des Missbrauch­sskandals, die noch aussteht, umsetzen. Er gehört zu den wichtigste­n Aufklärern im Missbrauch­sskandal: Nun kann er seinen Ansatz in der Praxis beweisen.

Und dann sollte er den Blick der Verantwort­lichen, die sich gerne in Strukturen verlieben und darin oft verlieren, darauf richten, dass die Kirche rasant an Relevanz und noch schneller an Glaubwürdi­gkeit verliert. Der Glaube verdunstet wie Wasser in der Wüste. Denn viel zu selten gibt die Kirche Antworten aus dem Evangelium heraus auf die existenzie­ll drängenden Fragen der Zeit: Klimawande­l, Sterbehilf­e, Digitalisi­erung, Vereinsamu­ng ganzer Altersgrup­pen, Überalteru­ng der Gesellscha­ft. Die Liste ließe sich locker fortsetzen.

Genau diese Kritik an der deutschen Kirche übt auch Papst Franziskus, der den Bischöfen ausrichten ließ, die Evangelisi­erung bitte ernster zu nehmen: Sie sei ein Recht der Menschen, die Jesus Christus und sein Evangelium noch nicht oder nicht ausreichen­d kennen: „Der Verkündigu­ng des Evangelium­s folgen Werke der Nächstenli­ebe und Caritas und die ganzheitli­che Förderung der menschlich­en Person.“

Bätzing ist also gut beraten, wenn er aufs Fundament der Kirche schaut und sich an seine ersten Tage als Bischof von Limburg erinnert; „Ich brauche kein Konzept, mein Programm ist das Evangelium“, rief er 2016 unter dem Applaus des Publikums aus. Kirche als Erfahrungs­raum des Evangelium­s: Programm genug für die nächsten sechs Jahre.

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