Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zentren für Corona-Tests in Planung
Baden-Württemberg rüstet sich für neue Fälle – Bayern fordert Hilfen für Wirtschaft
Von Katja Korf und dpa
GSTUTTGART - Angesichts der steigenden Zahl von Menschen, die am Coronavirus erkranken, plant BadenWürttemberg nun weitere Maßnahmen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Dienstag in Stuttgart, der Fokus liege darauf, die Ausbreitung des Erregers zu verlangsamen. „Bislang ist es uns gelungen zu verhindern, dass sich das Virus rasch ausbreitet. Uns ist bewusst, dass die Fallzahlen steigen. Aber je langsamer, desto besser können wir damit umgehen.“
Am Dienstag wurden weitere Infektionen in Süddeutschland bekannt, darunter Fälle in Ulm, im Ostalbkreis sowie im Zollernalbkreis. Nach Informationen des „Südkurier“bestätigte sich am späten Dienstagabend auch ein Fall im Bodenseekreis. Insgesamt waren am Abend in BadenWürttemberg mindestens 37 Infizierte bekannt, in Bayern 36. Bei allen verläuft die Atemwegserkrankung offenbar milde. So wurde in Baden-Württemberg der erste Corona-Patient wieder aus der Klinik entlassen.
Manfred Lucha (Grüne) sagte, man stelle sich auf weitere Patienten ein, Prognosen zu Zahlen wollte der Südwest-Gesundheitsminister nicht abgeben. „Wir sind aber gerüstet, um mehr Erkrankte gegebenenfalls isolieren und behandeln zu können.“Laut Lucha sollen an mindestens 84 Standorten Anlaufstellen eröffnet werden, um Bürgern, die sich krank fühlen, Beratung und Tests zu bieten. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) wies die Schulen an, Klassenfahrten und Schüleraustausche in Risikogebiete wie Norditalien abzusagen. Kosten für gebuchte Fahrten ersetze das Land. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte: „Die Sicherheit der Bevölkerung steht an erster Stelle.“Wichtig sei, die Eindämmungsstrategie fortzusetzen, Prävention zu betreiben und Schutzmöglichkeiten für Ältere und Risikopatienten zu verbessern. Aufgrund der Auswirkungen auf die Wirtschaft forderte er Finanzhilfen für Firmen. Eine solche Unterstützung will Baden-Württemberg selbst auf den Weg bringen.
Auch mehren sich Absagen von Veranstaltungen: Nach der Münchner Handwerksmesse wurde am Dienstag auch die Leipziger Buchmesse gestrichen.
Von Uwe Jauß
KIRCHHEIM UNTER TECK - Die Zeit läuft. Das Gute: Sie läuft zugunsten von 15 Menschen, die wegen des weltweit grassierenden Coronavirus Sars-CoV-2 vorsorglich unter Quarantäne stehen – und ebenso für Jan Mahne und sein Rot-Kreuz-Team. Ort des Geschehens ist Kirchheim unter Teck, eine 40 000-Seelenstadt unweit des Albtraufs an der Autobahn in Richtung Stuttgart. Dort ist das Ateck-Hotel seit 21. Februar Quarantänestation der Menschen und Dienstort für Jan Mahne. „Noch bis zum Wochenende“, sagt der durchtrainiert wirkende Rot-Kreuzler. Der Ehrenamtler ist Einsatzabschnittsleiter, er leitet die Unterkunft. „Bisher hat keiner der Bewohner Symptome entwickelt, die auf das Coranavirus hindeuten“, sagt er. Bleibt alles so, hat die vorgeschriebene Isolationszeit von zwei Wochen ein erwartbares Ende. Eine gewisse Entspannung ist bereits spürbar.
Angefangen hat die Geschichte hingegen anders, hektischer und alarmierender. Der Start war in Wuhan, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Hubei. Hier war der Ausgangspunkt der Corona-Epidemie. Die Quarantäne-Betroffenen arbeiten dort. Sie setzen sich aus einigen Familien zusammen, inklusive von fünf Kindern im Alter von sieben Monaten bis fünf Jahren. Alle sind Deutsche. Ihnen wurde die Lage in Wuhan im Februar zu kritisch. Es folgte der Wunsch an die deutsche Botschaft in Peking, doch bitte ausgeflogen zu werden – so wie andere deutsche Staatsbürger auch.
Eine französische Militärmaschine brachte sie nach Paris. Die Bundesluftwaffe
sorgte für den Weitertransport nach Stuttgart-Echterdingen. So weit kein wirkliches Problem. Aber die Menschen haben in Deutschland keinen Wohnsitz, weil ihr Lebensmittelpunkt in China ist. „Sonst hätten sie ja in Heim-Quarantäne kommen können“, erklärt Mahne, also zwei Wochen warten im eigenen Wohnzimmer. Das ging aber nicht. Ein Quartier musste her – möglichst in der Nähe des Stuttgarter Flughafens. Beamte des Bundesgesundheitsministeriums machten sich auf die Suche. Das Hotel in Kirchheim unter Teck sagte zu.
Die Herberge liegt am Rand eines Gewerbegebiets. Eine typische Anlaufstelle für Geschäftsleute oder
Monteure, die schon architektonisch entsprechend zweckmäßig wirkt. Touristen dürften sich selten hierher verirren. Selbst wenn Kirchheim eine herausgeputzte Fachwerkaltstadt hat, prägt doch eher Industrie die Umgebung. Jedenfalls waren in diesem Hotel Zimmer frei – zudem noch welche, die in einem abgetrennten Nebengebäude sind. Optimal. Die Geschäftsführung erklärt dazu, dass man in der Krisensituation helfen wollte. Übrigens zum Ärger der Nachbarschaft, wie zu hören ist. Die Angst, das Virus eventuell auf der anderen Straßenseite zu haben, war einfach da. Schließlich kamen die Menschen nach einer Voruntersuchung in ihrem 14-Tage-Domizil an. Gleichzeitig regelte der im Rems-Murr-Kreis lebende Mahne seinen Einsatz. Behördlicherseits war die QuarantäneOperation an den baden-württembergischen Rot-Kreuz-Landesverband übergeben worden. Mahne hatte sich dafür gemeldet: „Weil ich es kann.“Damit meint er seine Erfahrung und seine Ausbildungen: Rettungsassistent, Ausbilder für den Umgang mit chemischen, biologischen oder nuklearen Unfällen, Leiter der Rot-Kreuz-Führungsgruppe im Rems-Murr-Kreis.
Bedenken, dass für ihn irgendeine Gefahr bestehen könnte, hatte Mahne nicht. Der Wunsch zu helfen überwiegt bei dem Mann, der schon lange beim Roten Kreuz aktiv ist. Abseits des Ehrenamts arbeitet er als Produktmanager im Kunststoffbereich. Das machte eine Freistellung durch den Chef nötig. „War problemlos“, erzählt Mahne. Seine Frau und die drei Kinder sahen auch kein Hindernis. Wenig erstaunlich, nachdem er betont, dass sich sowieso alle beim Roten Kreuz engagieren. Es konnte losgehen – für ihn wie 15 andere ehrenamtliche DRK-Helfer. Elf davon machen eine Tagschicht, der Rest die jeweilige Nachtschicht.
Für Mahne als Leiter geht es darum, im Hotel den täglichen Ablauf am Laufen zu halten, Dienstpläne zu erstellen, Essen zu organisieren und Ähnliches. „Praktisch wie in einem Krankenhaus“, erklärt er. Der Weg zum Quarantänetrakt führt durch eine unscheinbare Türe mit undurchsichtiger Glasverkleidung in der Nähe des allgemeinen Frühstücksraums. Auf einem an die Tür geklebten Zettel steht „Kein Durchgang – no entry“. Für alle außer die DRKMitarbeiter bleibt die Türe zu. An einem Außeneingang des abgesonderten Hotelblocks sind zudem zwei Security-Mitarbeiter postiert. Niemand soll von außen in den Quarantänebereich
vordringen können. Müssen Mahne und seine Leute dorthin, tragen sie Atemmaske und Einweghandschuhe. Die Isolierten haben bei solchen Begegnungen zumindest die Maske auf. Sie nehmen das Essen entgegen – oder andere gewünschte Dinge. „Eine spezielle Kinderzahnpasta zum Beispiel“, schildert Mahne. Speziell ausgebildete Helfer können die Menschen psychologisch betreuen, was auch schon in Anspruch genommen wurde. Ein Lagerkoller habe sich jedoch bisher nicht entwickelt, sagt Mahne. Ein Teil der Erwachsenen arbeite im Homeoffice. Per WLAN sind sie mit der Außenwelt verbunden. Die Kinder können bei Bedarf in einem abgetrennten, mit Sichtschutz versehenen Teil des Hotelgartens spielen. „Manchmal sehen wir die Kleinen auch an einem Fenster stehen, wo sie uns zuwinken“, erzählt eine an der Rezeption beschäftigte Frau.
Direkten Kontakt in den Quarantänebereich hinein hat niemand von den Hotelbeschäftigen. Das heißt, die Leute drinnen müssen sich auch selber ums Putzen kümmern – ja selbst ums Wäschewaschen. „Wir haben extra Camping-Waschmaschinen organisiert“, sagt Ron Wüst. „Auch Mikrowellenherde und Babywannen.“Wüst ist wie Mahne Ehrenamtler im Roten Kreuz, gehört aber nicht zu dessen Team. Er arbeitet als Logistiker. Und wie der Zufall es will, ist das zentrale Lager des badenwürttembergischen Landesverbands gerade mal ein paar Kilometer vom Hotel entfernt. Dort lagert alles mögliche für Einsätze – von der mobilen Arztpraxis auf einem Sattelschlepper-Anhänger bis hin zu den gegenwärtig sehr gefragten Atemschutzmasken.
Das Lager ist neben dem Hotel praktisch eine zweite Koordinate im Quarantäne-Einsatz. Eine weitere liegt in Bad Cannstatt am Neckarufer: die Landesgeschäftsstelle des
Rot-Kreuz-Landesverbands BadenWürttemberg. Wegen des Coronavirus hat das Rote Kreuz im Führungsund Lagezentrum dort extra einen Stab zusammengerufen. Dieser steuert den Einsatz in Kirchheim, hält die Lage im Lande in Bezug auf das Virus im Blick und bereitet sich auf alle möglichen Situationen vor, wie Stabsmitglied Marcus Schauer erklärt. Er gehört zu den Vollberuflern im Verband und leitet ansonsten die Abteilung Rettungsdienst. Für den Moment ist ihm die Botschaft wichtig, dass seine Organisation „sicher aufgestellt“sei. Von Aufgeregtheit fände sich keine Spur.
In Kirchheim wird es langsam dunkel, durch die Fenster des Quarantäne-Blocks schimmert Licht. An einigen davon sind aufgeklebte Kinderzeichnungen zu sehen. Wo die Menschen nach dem kommenden Wochenende hingehen, ist nur grob klar. Die Rot-Kreuz-Helfer spekulieren auf Verwandte und Freunde – zumindest bis sich die Situation in Wuhan geklärt hat.
An der Rezeption ist eine gewisse Zufriedenheit zu spüren, dass bisher alles glatt lief. Beschäftige meinen, die Quarantäne-Zeit habe keine Auswirkungen auf den Hotelbetrieb gehabt. Auch bei ihnen sei nach einer anfänglichen Versicherung wegen der Sondergäste inzwischen alles gut. Finanziell gibt es kein Problem. „Das Bundesgesundheitsministerium trägt die Kosten“, sagt Mahne. Darin sind sogar Zimmer erfasst, die unbelegt geblieben sind. „Anfangs“, erklärt Mahne, „wurde einfach mehr angemietet, weil unklar war, wie viele Leute überhaupt kommen.“
„Bisher hat keiner der Bewohner Symptome entwickelt, die auf das Coranavirus hindeuten.“
Jan Mahne vom DRK
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