Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ein Hauch von Zärtlichkeit im Alptraum von Aleppo
Syrische Journalistin Waad al-Kateab widmet Dokumentation ihrer Tochter Sama
DGie syrische Journalistin Waad al-Kateab beginnt ihre eindringliche Dokumentation „Für Sama“wie einen Brief an die Zukunft und setzt den Bildern des Bürgerkriegs ihre eigene Stimme entgegen. Inmitten der Bombardierungen von Aleppo, die sie als Reporterin hautnah miterlebt, filmt sie den Kampf der Menschen ums Überleben und widmet dieses Zeugnis ihrer gerade erst geborenen Tochter Sama.
2012 beginnen die Studentenproteste gegen die Repression des Assad-Regimes. Waad al-Kateab studiert zu diesem Zeitpunkt an der Universität. Sie gehört zu den wenigen, die mit einer professionelleren Kamera am Ort des Geschehens bleiben, als die staatlichen Einsatzkräfte mit schweren Waffen gegen die Demonstranten vorgehen. Im Januar 2013 kommt es zu einem Wendepunkt, als im Fluss Kuwaik, der mitten durch die Stadt fließt, Dutzende Leichen angeschwemmt werden. Was danach folgt, ist ein beispielloser Angriff des Assad-Regimes gegen die eigene Bevölkerung.
„Für Sama“schont die Zuschauer nicht. Es sind Bilder zerschundener Körper und Leichen. Nicht wegzusehen, ist das Mindeste, was man den Menschen in Syrien entgegenbringen kann.
Waad al-Kateab erschafft mit ihrer Kamera aber auch immer wieder Momente zwischenmenschlicher Solidarität voller Humor und Zärtlichkeit. So erinnert sie sich etwa an die ersten Begegnungen mit dem jungen Mediziner Hamza, der als einer der wenigen Ärzte Aktivisten versorgt. Als die große Fluchtwelle in Aleppo einsetzt, entscheiden sich beide, zu bleiben. Während Hamza provisorische Krankenhäuser organisiert und sie das Leid der Zivilbevölkerung filmt, entsteht zwischen den beiden eine Liebesbeziehung.
Es sind die schönsten Momente des Films, wie Waad und Hamza singend und tanzend ihre Hochzeit feiern, trotz der Geschosse. Man sieht das Paar in ihrem gemeinsamen Haus einen Garten pflegen, begleitet sie beim Essen mit Freunden, die trotz allem versuchen, ihren Humor nicht zu verlieren. Und als die Kamera den Moment festhält, in dem sich der Schwangerschaftstest positiv färbt und Waad al-Kateab ihre Reaktion im Spiegel fotografiert, gewinnt der Film nochmals eine eigene Dynamik.
Für die Erfahrung, die „Für Sama“vermittelt, spielt die Mutterschaft der Regisseurin eine entscheidende Rolle. Sie setzt den niederschmetternden Bildern aus Aleppo eine Lebenskraft entgegen, die sich auf die Zuschauer überträgt. Der zerbrechliche Körper des Neugeborenen, auf dessen Gesicht sich plötzlich ein Lächeln abzeichnet, wenn es die melodische Stimme seiner Mutter hört, wird in der Großaufnahme zu einem Bild gegen die Gewalt. Waad al-Kateab zeigt aber auch, welche Krisen und Ambivalenzen die Geburt des Kindes mit sich bringt, wenn sie Gewissensbisse plagen, dass sie ihrer Tochter das Leben inmitten eines Krieges geschenkt hat.
Für Waad al-Kateab stand beim Filmen des Bürgerkriegs zunächst die Zeugenschaft als Beweisaufnahme im Vordergrund. Über 300 Stunden Material hat sie aus der Belagerung Aleppos ins Exil nach London schaffen können. Viele ihrer Aufnahmen wurden vom britischen Fernsehen ausgestrahlt. Für ihr Feature „Inside Aleppo“wurde Waad al-Kateab 2017 mit einem „Emmy“ausgezeichnet.
Doku von Waad alKateab. Großbritannien. 194 Minuten. FSK ab 14 Jahren. Zu sehen ab 5. März in Ulm im Mephisto-Kino.