Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Erzählungen von einsamen Männern
Lukas Bärfuss liest aus Erzählband
FRIEDRICHSHAFEN (hv) - Nach mehrjähriger Pause ist der Schweizer Erfolgsautor Lukas Bärfuss zu seiner dritten Lesung nach Friedrichshafen in den vollen Kiesel gekommen, darin überraschend viele Männer.
Der Dramatiker Bärfuss, auf vielen deutschsprachigen Bühnen vertreten, schreibt auch Romane und Erzählungen. 2014 hat er seinen Roman „Koala“vorgestellt, jetzt seinen im Herbst unter dem Titel „Malinois“erschienenen ersten Erzählband: dreizehn Geschichten aus einem Zeitraum von zwanzig Jahren, zwei bis sechzehn Seiten lang, auch Gelegenheitsarbeiten. Geschichten um unzufriedene, frustrierte, Freiheit suchende Männer, um einsame Helden.
Bärfuss ist ein Ausnahmeschriftsteller. Er zählt zu den seltenen Gegenwartsautoren, die nicht eine Literaturwissenschaft studiert haben, ehe sie Schriftsteller wurden. Er sei auch kein gelernter Buchhändler, wie er im ausführlichen Nachgespräch mit Franz Hoben eine Falschmeldung berichtigt. Er habe zwar als Buchhändler gearbeitet und schließlich das Diplom erworben, aber eine Lehre habe er sich nicht leisten können. Um Geld zu verdienen, habe er als Zwanzigjähriger systematisch Redaktionen angerufen, kurze Texte angeboten, die genommen wurden: „Es gibt auch andere Wege, Schriftsteller zu werden, als die bürgerlichen – bei mir war es das Lesen, der Bildungshunger, ich habe mich durch Bibliotheken gefressen.“
Die damaligen Texte waren nicht unbedingt die, die er am Abend las. Texte, in denen er Menschen, vor allem Männer auf sehr zupackende, direkte Art sich durch ihr Handeln darstellen lässt und dabei tiefe Blicke in ihr Innenleben zulässt. Einsame Männer, komisch und tragisch zugleich. Skurril ist die Liebesgeschichte „Jakobshöhe“,
ein Dreiecksverhältnis, bei dem die Frage lautet: Wer stirbt zuerst – die Frau oder einer der Männer? Plastisch stehen die Figuren vor den Zuhörern, man ahnt die kommenden Katastrophen, ohne fest mit ihnen rechnen zu können.
Bärfuss schafft den Spagat zwischen Inhalt und Spannung, die nie so stark werden darf, dass sie das Eigentliche zudeckt. Und er begeistert mit ureigenem Humor. So in der Geschichte „Was ist ein Hund?“Eine Frau hat ihrem Mann einen chinesischen Hund geschenkt, doch ihm ist das „Viech“zu kostbar, er findet keinen passenden Namen – er hätte lieber einen aus dem Tierheim gehabt. Bleibt dem Paar nur zu warten, bis das Problem sich von selbst erledigt, sie werden ihn wohl überleben. Zum Schmunzeln auch seine satirische Spitze gegen den Literaturbetrieb in „Erinnerungen an den Dramatiker Martin Babian“. Der Ich-Erzähler denkt zurück an einen Autor, der sich von der ganzen Welt verkannt dünkt und alle angeifert, auch wenn er sich immer weiter ins Abseits manövriert. In der Titelgeschichte „Malinois“– eine belgische Schäferhundrasse – muss ein Hund eingehen, weil er einem Paar zum Liebesabenteuer verhilft.
Es macht Spaß, dem Autor zuzuhören, hat er doch eine ureigene rhythmische Melodik, die fesselt. Gekonnt variiert er die Tempi, man spürt seine Bühnenerfahrung. Interessant, wie er das Schreiben von Stücken und Romanen vergleicht: Das Theater sei lebendig, spiele im wirklichen Raum, in der wirklichen Zeit, im Buch seien sie immer imaginär: „Wir lesen Texte nicht so, wie der Autor sie geschrieben hat.“Schwer zu sagen, was mehr beeindruckt hat: die Lesung oder das Nachgespräch. 16-20 Uhr
Zeppelinstr. 7,