Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Schauspiel gibt Denkanstöße zu den Fragen des Lebens
Nach dem Einakter diskutieren die Zuschauer im Kulturschuppen mit den Darstellern von „Tot aber glücklich“
MECKENBEUREN (scht) - Zwei Stühle im Garten. Doch wo ist sein Haus, wo die Frau, die Mutter? Und was macht der Mann im Anzug und mit der Aktentasche hier? „Sicher ein Vertreter, der was verkaufen will, oder will er mich bekehren?“überlegt der Gartenbesitzer. Was ihm der Anzugträger stattdessen verkündet, scheint dem 35-jährigen unglaublich: „Du bist tot.“Beim Theaterabend „Tot aber glücklich“, einem Stück von und mit Marc Ermisch, geht es um alles, was wir im Leben tun, taten – oder tun wollten und vielleicht doch nicht mehr schaffen.
Die Frauenselbsthilfe nach Krebs Tettnang-Meckenbeuren hatte die Kölner Schauspieler zusammen mit dem Verein „Stark gegen Krebs“ans Gleis 1 geladen. Im Kulturschuppen blieben am Montag nur wenige Plätze leer. „Schön, dass auch so viele fremde Gesichter im Zuschauerraum waren“, findet Marinette Schöniger von der Frauenselbsthilfe. „Eine Selbsthilfegruppe ist nicht dazu da, sich selbst zu bemitleiden. Wir wollen Mut machen und uns austauschen und auch Nichtbetroffene und Angehörige ansprechen“, sagt sie über die Intention des Abends. Der Verein „Stark gegen Krebs“übernahm die Kosten fürs Zwei-MannEnsemble, die örtliche Selbsthilfeguppe bezahlte die Miete für den Kulturschuppen.
Was ist der Sinn des Lebens und was ist Glück? Die Protagonisten liefern sich auf der Bühne ein Streitgespräch, das es in sich hat. „Mit 35 Jahren sterben ist unfair. 80 Jahre stehen einem schon zu“, lamentiert der Tote. „Die Frage ist nur, was du daraus gemacht hast. Wofür nutzt du deine Zeit?“will sein Gegenspieler wissen. Er findet: „Das Leben besteht aus vielen kleinen Augenblicken. Nur im Jetzt kannst du richtig entscheiden.“„Sorgfältig mit der Welt umgehen. Das ist mit Menschen nicht zu machen. Niemand stellt das Allgemeinwohl über sein eigenes“, glaubt der andere pessimistisch. Der Dialog, den Oscar U. Ehrlich und Marc Ermisch auf die Bühne bringen, ist überraschend, spannend, lässt die Zuschauer manchmal schmunzeln und gibt Denkanstöße. Ist der Gegenspieler
des Toten etwa sein eigenes Gewissen? Das lässt der Autor bewusst bis zum Schluss offen.
„Wie ist das Stück entstanden?“will die erste Zuschauerin beim anschließenden Publikumsgespräch wissen. „Hat das Stück etwas mit Ihnen zu tun?“fragt ein Mann. „Als ich das Stück geschrieben habe, wusste ich noch nicht, dass ich Krebs habe“, erzählt Marc Ermisch: „Ich brauchte einfach mal wieder was, wo ich ein paar Impulse raushauen konnte.“Die Krebsdiagnose habe die Dialoge aber nicht verändert. Ermisch: „Das Stück wird noch genauso wie vor acht Jahren gespielt.“
Den Einakter ums Leben und Sterben spielt das Duo bundesweit – auf großen Bühnen, vor einem Auditorium von wenigen Zuschauern oder auch mal im Rahmen des Ethik-Unterrichts für Schulklassen. „Mir hat gut gefallen, dass jeder eine Ebene findet, wo er sich einklinken kann“, lobt eine Zuschauerin. Zum Mitlesen gibt es das Textbuch zu „Tot aber glücklich“im Buchhandel. Auch ein Hörbuch ist verfügbar.