Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Quittung in roten Zahlen
Ein teurer Konzernumbau soll den Pressenhersteller Schuler für den Weltmarkt fit machen
Von Benjamin Wagener
GÖPPINGEN - Die Einschnitte sind hart gewesen, die Domenico Iacovelli im vergangenen Sommer verkündet hat – aus seiner Sicht verkünden musste. Der Chef des weltgrößten Hersteller von Maschinenpressen verkündete, dass das württembergische Traditionsunternehmen ausgerechnet am Stammsitz in Göppingen im Filstal seine Produktion aufgeben werde. Hinzu kam ein Arbeitsplatzabbau von 500 Stellen in Deutschland – vor allem in der Produktion.
Die Quittung in Zahlen folgte nun: Wegen des Konzernumbaus rutschte das Unternehmen tief in die Verlustzone. Schuler schrieb im Jahr 2019 einen operativen Verlust von 75,5 Millionen Euro, nachdem der Pressenhersteller 2018 noch einen Gewinn von 45,3 Millionen Euro erwirtschaftet hatte. Der Nettoverlust belief sich sogar auf 121,9 Millionen Euro, wogegen der Umsatz um 6,3 Prozent auf 1,136 Milliarden Euro sank.
Die „hohen Einmal-Belastungen“hatte Iacovelli erwartet. Vor allem jedoch erwartet und hofft er auf eine zweite Auswirkung des Konzernumbaus. „Das war richtig, was wir nun eingeleitet haben“, sagt der SchulerChef im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Und keine Salamitaktik. Ich habe versucht, die Strategie daran auszurichten, wie die Zukunft aussehen wird.“Und die Zukunft, so der Schuler-Chef, hat eben nicht mehr Deutschland und Europa als
Zentrum der Industrie. „Wir waren zu deutschlandlastig, hatten hier Überkapazitäten in der Produktion“, erklärt Iacovelli. Es habe nicht mehr funktioniert, in Deutschland zu produzieren und in alle Welt zu liefern. „Die Kunden sagen das auch: Entweder du passt dich uns an und stellst in China her oder du gehst.“
Hinzu komme die tiefgreifende Transformation in der Autoindustrie, aus der der Pressenhersteller mehr als 70 Prozent seiner Aufträge erhält. Natürlich brauchen auch Elektroautos und autonom fahrende Fahrzeuge Motorhauben und Kotflügel, die aus
Blechen entstehen, die die gewaltigen Schuler-Pressen mit ihren rohen Kräften umformen, aber: „Die Autobauer brauchen alle ihre Gelder, um die neuen Technologien zu entwickeln – und das hat dann zur Folge, dass bei anderen Investitionen wie in unsere Pressen gespart wird.“Vor diesem Hintergrund habe Schuler seine Produktionskapazitäten an die Märkte angepasst: Als einziger deutscher Produktionsstandort sei Erfurt übrig geblieben, von dem aus Schuler den europäischen Markt versorge. Die Produktion in Brasilien beliefere Amerika, die Werke in China seien für Asien zuständig.
Auch im Werkzeugbau, also den Formaufsätzen, mit denen die Pressen bestückt werden, habe sich einiges geändert. „Die Autobauer haben diesen Bereich bei sich eingegliedert und stellen die Werkzeuge selber her“, erläutert Iacovelli. „Zuletzt habe nur ein einziger Kunde eine Pressenlinie in Kombination mit Werkzeugen gekauft.“Weswegen Schuler den Werkzeugbau für die Autoindustrie komplett an einen strategischen Investor verkauft habe. Bei den Pressen für die übrigen Industriekunden, die Schuler vor allem im oberschwäbischen Weingarten entwickelt, übernimmt die Konzerntochter Aweba die Herstellung der Werkzeuge. „Wir haben Aweba nun mehr Freiheiten gegeben, das Unternehmen braucht einen größeren Spielraum jenseits der Konzernhierarchien.“
„Die Dinge, die wir angeleiert haben, werden greifen“, sagt Iacovelli. In Zahlen bedeutet das, dass Schuler 2020 wieder in die Gewinnzone kommen will. „Ich bin kein Glaskugelleser, und ich weiß auch nicht, wie sich die Corona-Pandemie entwickeln wird, aber beim Ergebnis streben wir wieder eine positive Zahl an.“Das Ziel beim Umsatz des Unternehmens mit weltweit mehr als 6200 Mitarbeitern sei ein Betrag zwischen 1,1 und 1,2 Milliarden Euro.
Der Betriebsrat trägt den Kurs mit – auch wenn die Einschnitte für die Belegschaft nicht einfach zu akzeptieren gewesen seien. „Klar tun die Entlassungen und vor allem auch die
Schließung der Produktion in Göppingen weg“, sagt Sabine Danner, Betriebsratschefin am Schuler-Standort in Weingarten, „aber die Strategie, eine weltweit breit aufgestellte Produktion zu haben, kommt ums im Wettbewerb mit Konkurrenten zugute und macht uns auch unabhängiger im Hinblick auf die globalen Handelsstreitigkeiten.“
Danner und auch Thomas Flamm von der IG Metall FriedrichshafenOberschwaben begrüßen, dass Iacovelli das Aufeinanderzugehen von Gewerkschaft und Arbeitgebern im Hinblick auf die ausstehenden Tarifverhandlungen positiv bewertet. „Jede Aktion, bei der man schnell miteinander redet, ist hilfreich“, erklärt der Schuler-Chef, „wichtig sind flexible Arbeitszeitmodelle. Zudem muss in der Qualifizierung viel getan werden.“Ziel müsse es sein, die Bedingungen zu schaffen, dass die Unternehmen die anstehende Transformation bewältigen können. Ohne die Politik werde das allerdings nicht gehen.
Für Schuler selbst ist Iacovelli dabei optimistischer als für andere Unternehmen. „Wir werden unsere Aufträge bekommen, andere Zulieferer der Autoindustrie spüren das viel unmittelbarer.“Außerdem glaubt der Schuler-Chef an sein Zukunftskonzept. „Ich denke nicht, dass weitere große Einschnitte notwendig sind.“Seine Mitarbeiter werden das gerne hören, schließlich wirken die im Sommer verkündeten Einschnitte noch ziemlich nach.