Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Protestversammlung beim Blutritt geplant
Franziska Groß sieht Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und will eine Debatte anstoßen
Von Oliver Linsenmaier
GWEINGARTEN - Erstmals in der Geschichte des Blutrittes in Weingarten wird es parallel dazu eine Gegenveranstaltung im Stadtgarten geben. Die 25-jährige Musikerin Franziska Groß hat eine Versammlung bei der Stadt angemeldet und will damit vor allem auf den Schutz der mehr als 2000 teilnehmenden Pferde bei der größten Reiterprozession Europas aufmerksam machen. Sie ist der Meinung, dass dabei gegen das Tierschutzgesetz verstoßen wird, und würde sich eine Prozession ohne Pferde wünschen. „Auch ein Blutritt muss sich weiterentwickeln“, sagt die gebürtige Schwarzwälderin. „Jemand muss den ersten Schritt gehen. Und das bin nun eben ich.“
Ganz konkret wird die Veranstaltung am Blutfreitag – in diesem Jahr der 22. Mai – stattfinden. Von 6 bis 13 Uhr können sich alle Interessierten im Weingartener Stadtgarten vor der Bühne zusammenfinden. Dort soll es dann verschiedene Redebeiträge geben, um ins Gespräch zu kommen. Wer außer Groß noch sprechen wird, ist aktuell noch unklar. „Es gibt schon einige Leute, die mitmachen werden“, sagt die ehemalige PH-Studentin, die stellvertretend für eine Gruppe von rund 30 Personen spricht. „Wir sind ein ganz bunter Haufen aus Arbeitenden und Studenten, aus Jung und Alt.“
Am 22. Mai sei jeder willkommen, der sich austauschen möchte. Auch ist es der Tierschützerin wichtig, zu betonen, dass die Versammlung friedlich abläuft. Daher hat sie den Stadtgarten ganz bewusst als Veranstaltungsort ausgesucht. Dieser habe ausreichend Abstand zum Prozessionsweg. Schließlich wolle man die Blutreiter nicht provozieren oder mit ihnen in Streit geraten. Außerdem will Groß die Pferde nicht so erschrecken. „Wir wollen nicht das machen, was wir vorwerfen, also was die Tiere stört“, erklärt die 25-Jährige. Daher will sie auch auf Trillerpfeifen oder Fahnen verzichten.
Auch spricht die 25-Jährige ganz bewusst nicht von einer Demonstration oder einer Gegenveranstaltung. „Ich nenne es nicht Demo, weil es nicht gegen etwas ist, sondern für die Unterdrückten“, erklärt die überzeugte Veganerin. „Ich verstehe unter Demo etwas Krasses, aber das haben wir nicht vor. Wir wollen gerne in den Austausch treten und andere Meinungen hören.“
Dass sie durch die Aktion auch mit Gegenwind rechnen muss, ist Groß bewusst. Als ihr die erste Idee zur Veranstaltung kam, fragte sie in den Sozialen Medien, wer sich vorstellen könne, mitzumachen – auch um ein erstes Stimmungsbild aufzuschnappen. Dabei erhielt sie reichlich negative Reaktionen. Sie habe aber auch persönliche Nachrichten erhalten, die sie ermutigt hätten, sagt Groß, die durchaus mit einer gehörigen Portion Respekt an die Sache geht. Daher setzt sie auf einen sachlich-fairen
Austausch. „Viele haben Angst vor Anfeindungen. Aber ich gebe da nicht so viel drauf“, sagt sie. „Ich hoffe, dass die Reiter wahrnehmen, dass ich nicht gegen sie bin, sondern gegen ihre Praktiken.“
Und da stört Groß neben der reinen Teilnahme der Pferde auch das Verhalten einiger Reiter. Viele würden ihre Tiere gar nicht kennen, da sie sich das Pferd für die Prozession ausleihen. Außerdem werde teilweise Alkohol konsumiert, was dem Ganzen auch nicht zuträglich sei. Und für die Tierschützerin ist ganz klar, dass einige Pferde im Vorfeld mit Medikamenten beruhigt, also sediert werden. All das zusammen ist für Groß eine gefährliche Mischung. „Das ist alles sehr fragwürdig. Ich glaube, dass das gegen das Tierschutzgesetz verstößt“, sagt sie und verweist auf Paragraf 3 Ziffer 1 des Tierschutzgesetzes. Dort steht unter anderem geschrieben: „Es ist verboten, einem Tier außer in Notfällen Leistungen abzuverlangen, denen es wegen seines Zustandes offensichtlich nicht gewachsen ist oder die offensichtlich seine Kräfte übersteigen.“
Darüber hinaus geht es Groß vor allem um die ethische Komponente. Da alle Lebewesen gleich seien, dürfe man Tiere nicht ausnutzen, nur weil man als Mensch intelligenter sei. „Wir können auch nicht fliegen. Warum sollte der Wert eines Tieres an dieser Eigenschaft Intelligenz ausgemacht werden“, fragt sie. Solange man nicht wisse, ob die Tiere mitmachen wollen, dürfe man sie auch nicht beim Blutritt teilnehmen lassen. Es gehe um das Bewusstsein für Tiere und damit letztlich auch um die Haltung von ihnen in Zoos und Zirkussen. Auch brauche der Mensch keine tierischen Produkte, um gut zu leben, sagt sie mit Blick auf ihren Veganismus: „Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich ein Problem mit dem Wort Nutztier habe. Das ist ein kultureller Begriff. Alle Lebewesen haben die Berechtigung, frei zu leben.“
Daher will sie die Menschen mit ihrer Veranstaltung für das Thema sensibilisieren und Alternativen aufzeigen. Dabei schwebt Groß ein Blutmarsch ohne Pferde vor. „Das muss nicht weniger pompös sein“, sagt Groß, die bereits Gespräche mit der Stadt geführt hat und sich bis zum Blutfreitag noch mit der Blutfreitagsgemeinschaft austauschen will. „Ich will nicht über den Glauben diskutieren. Das will ich nicht antasten. Ich halte viel davon, dass die Menschen glauben und dass sie das verbindet“, sagt Groß. Und dennoch: „Ich bin froh um jedes einzelne Pferd, das nicht beim Blutritt mitläuft.“