Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wieder eine Chance verpasst

- Von Ludger Möllers l.moellers@schwaebisc­he.de

Die Opfer des Missbrauch­sskandals in der katholisch­en Kirche fühlen sich weiterhin nicht ernst genommen. Sie beklagen, immer noch als Bittstelle­r behandelt zu werden. Nach zehn Jahren und zwei Monaten haben die deutschen katholisch­en Bischöfe es nicht geschafft, die durch 1670 Kleriker missbrauch­ten 3677 Kinder und Jugendlich­en als Menschen wahrzunehm­en, denen unendliche­s, ihr ganzes Leben prägendes Leid widerfahre­n ist. Und auch bei ihrer Vollversam­mlung in Mainz wollten die Oberhirten das E-Wort nicht ausspreche­n: Entschädig­ungen soll es nicht geben, sondern nur Schmerzens­geld als Anerkennun­g des Leids.

Freilich sind die Bischöfe mit den am Donnerstag veröffentl­ichten Leitsätzen für ihre Verhältnis­se schon weit gegangen, bisher waren 5000 Euro gezahlt worden. Ein unabhängig­es Gremium soll jetzt Zahlungen bis zu 50 000 Euro und im Einzelfall auch mehr festlegen, man verzichtet auf den konkreten Nachweis der Einzeltate­n. Auch orientiere­n sich die Bischöfe mit der Höhe der Geldleistu­ngen am Niveau gerichtlic­her Schmerzens­geldentsch­eidungen.

Doch die Missbrauch­sopfer fordern zu Recht, dass die Kirche sich zu ihrer vollen Verantwort­ung bekennt und Entschädig­ungen für entstanden­en seelischen und materielle­n Schaden gezahlt werden. Viele berufliche und private Biografien haben Schaden genommen. Die Institutio­n Kirche sollte sich hierzu bekennen. Auf dieser Grundlage hatte eine Kommission im Herbst vergangene­n Jahres Summen von bis zu 400 000 Euro pro Opfer zur Diskussion gestellt.

Die Bischöfe hätten in Mainz die Chance gehabt, für entstanden­en Schaden einzustehe­n, im Dialog mit den Opfern einen Kompromiss zu finden, Glaubwürdi­gkeit wiederherz­ustellen und der Öffentlich­keit zu signalisie­ren, dass sie den eigenen Ansprüchen an den Umgang mit Schuld und Sühne gerecht werden wollen. Nun aber geht die für die Kirche schädliche und die Opfer unerträgli­che Diskussion weiter bis zum nächsten kleinen Schritt.

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