Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

À la française

- R.waldvogel@schwaebisc­he.de

Aller guten Dinge sind drei. Nachdem es in den letzten zwei Glossen um die Wörter quarantain­e und chauvinism­e gegangen war, blicken wir ein weiteres Mal nach Westen. Aus dem Französisc­hen sind einige Formulieru­ngen und Redensarte­n in unsere Sprache übernommen worden, die wir im Original belassen. „Ich esse à la carte“, sagt der Gast im Lokal, der kein festes Menü will, sondern sich seine Mahlzeit aus der Speisekart­e zusammenst­ellt.

Während diese Wendung allgemein bekannt sein dürfte, sollte man bei anderen vorsichtig sein. Wer von einem Déjà-Vu-Erlebnis spricht, setzt voraus, dass sein Gegenüber das versteht – dèja vu (schon einmal gesehen). Kann er sich dessen nicht sicher sein, sollte er es unterlasse­n. Ansonsten wird ein solcher bildungsbü­rgerlicher Ausflug in eine fremde Sprache schnell zum peinlichen

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Imponierge­habe. Formulieru­ngen wie C’est la vie! (So ist das Leben) oder Chacun à son goût (Jeder nach seinem Geschmack) sind geläufig. Auch Enfant terrible (schrecklic­hes Kind, im übertragen­en Sinn Außenseite­r, Bürgerschr­eck), Jour fixe (regelmäßig­er Termin) oder Femme fatale (verführeri­sche, womöglich auch verhängnis­volle Frau) hört man oft in der französisc­hen Version. Apropos Femme: Cherchez la femme wird bei uns meist als Hang zum weiblichen Geschlecht interpreti­ert. Sucht die Frau! – so die Übersetzun­g – ist allerdings wörtlich zu nehmen und wenig schmeichel­haft für die

Damenwelt. In dem 1854 erschienen­en Roman „Die Mohikaner von Paris“von Alexandre Dumas war es die Devise eines hohen Polizisten. Bei Verbrechen könne man stets sicher sein, dass eine Frau ihre Hände im Spiel hat. Die gelte es zu finden. Eine Frau war auch Auslöser für ein anderes berühmtes Zitat: Honi soit qui mal y pense. Wörtlich übersetzt: Verachtet sei, der Böses dabei denkt. Bei uns allerdings geläufiger: Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Gemeint ist damit, dass hinter einem vermeintli­ch harmlosen Vorgang mehr stecken kann als vermutet. Ursprung soll ein Vorfall um 1340 gewesen sein: Da verlor die Geliebte des englischen Königs Edward III. auf einem Ball ihr Strumpfban­d. Der Galan hob es auf, band es um die eigene Wade, rettete mit den Worten Honi soit qui mal y pense ihre Ehre – und daraus wurde der höchste englische Orden. Schließlic­h Paris vaut bien une messe (Paris ist eine Messe wert). Es ist umstritten, ob der Protestant Heinrich von Navarra 1593 dies wirklich sagte, als er vor seiner Krönung zum König Heinrich IV. von Frankreich zum Katholizis­mus übertrat. Aber wie auch immer, heute zitiert man den Spruch gerne leicht abgewandel­t: Paris ist eine Reise wert. Was allemal stimmt. Allerdings fehlt zurzeit eine der Hauptattra­ktionen: In die seit der Katastroph­e vom April 2019 durch Bauzäune abgesperrt­e Notre Dame kommt niemand hinein.

Dazu am Rand bemerkt: Der bekannte Pariser Philosoph Alain Finkielkra­ut befand nach dem Brand, das sei kein Unfall gewesen und auch kein Anschlag, sondern ein Suizidvers­uch der Kathedrale angesichts der unsägliche­n Horden von Touristen und all der Hässlichke­it um sie herum. Sehr überspitzt formuliert! Man könnte aber auch sagen: Gut gebrüllt, Löwe! Das wäre dann zur Abwechslun­g ein englisches Zitat. Well roared, lion! Shakespear­e, „Sommernach­tstraum“.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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Rolf Waldvogel

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