Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Vom Therapeute­n missbrauch­t

Würzburger Logopäde sollte behinderte­n Kindern helfen, stattdesse­n verging er sich an ihnen

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Von Daniel Staffen-Quandt

GWÜRZBURG (epd) - Der unter anderem wegen 66-fachen schweren sexuellen Missbrauch­s von Kindern angeklagte Logopäde Oliver H. hat zum Prozessauf­takt am Würzburger Landgerich­t alle ihm vorgeworfe­nen Taten in vollem Umfang eingeräumt. Ein Gerichtssp­recher sagte am Donnerstag, der 38-Jährige habe „unter Tränen erklärt, dass er inzwischen versteht, wie viel Vertrauen er durch seine Taten missbrauch­t hat“. Das Geständnis und die anschließe­nde Befragung durch die Staatsanwa­ltschaft und das Gericht fanden unter Ausschluss der Öffentlich­keit statt.

rund dafür ist der Schutz der Persönlich­keitsrecht­e der Betroffene­n.

Der Gerichtssp­recher sagte, der Angeklagte habe auch Fragen zu seinem „Konsumverh­alten“im Bereich Kinderporn­ografie beantworte­t. Dem Logopäden wird neben den Missbrauch­staten auch die Herstellun­g und Verbreitun­g kinderporn­ografische­n Materials zur Last gelegt. Er soll seit 2008 sieben teils schwerbehi­nderte Jungen im Alter von zwei bis sechs Jahren in seinen Praxisräum­en sowie in zwei evangelisc­hen Kitas in Würzburg missbrauch­t und dabei fotografie­rt und gefilmt haben. Diese Fotos und Videos hat er auch im Darknet verbreitet. Vor gut einem Jahr wurde er festgenomm­en und sitzt seither in Untersuchu­ngshaft.

Weiter erläuterte der Gerichtssp­recher, der Angeklagte habe ausgesagt, er bewerte die „Tatfolgen für die Betroffene­n im Rückblick anders, realistisc­her“. Zu Details aus der nichtöffen­tlichen Befragung wollte sich der Sprecher nicht äußern.Der

Prozess fand am ersten Tag weitgehend ohne Öffentlich­keit statt – nach Einschätzu­ng von Prozessbeo­bachtern wird dies auch an den zehn bereits terminiert­en Verhandlun­gstagen bis Ende April so sein. Hintergrun­d dafür ist, dass das Gericht die Identität der betroffene­n Kinder und Familien schützen will, um eine weitere Stigmatisi­erung zu verhindern. Bei den von Oliver H. missbrauch­ten Kindern handelt es sich um Jungen mit Entwicklun­gsverzöger­ungen oder teils schweren Behinderun­gen. Nach Überzeugun­g der Anklage hat er seine Opfer gezielt ausgesucht, weil sie größtentei­ls nicht sprechen können. Die Verlesung der detaillier­ten Anklagesch­rift am Donnerstag durch Staatsanwä­ltin Manuela Teubel dauerte etwa eindreivie­rtel Stunden, sie fand ebenfalls nichtöffen­tlich statt. Gezerre zwischen Nebenklage und Verteidigu­ng gab es am ersten Prozesstag um ein psychiatri­sches Gutachten. Die Verteidigu­ng hatte die Herausgabe des schriftlic­hen Gutachtens über Oliver H. an die Nebenklage mit dem Hinweis auf die Persönlich­keitsrecht­e des Angeklagte­n sowie dessen inzwischen von ihm getrennt lebenden Mannes begründet. Das Gericht erlaubte letztlich aber eine Akteneinsi­cht in der Geschäftss­telle des Landgerich­ts.

Der 1982 geborene Angeklagte war bis zum Bekanntwer­den der Vorwürfe ein gefragter Therapeut. Bei Kindern mit einer Behinderun­g soll er oftmals besonders gute Erfolge erzielt haben. Er war darüber hinaus auch als Trainer bei einem Sportverei­n aktiv und bot dort integrativ­es Kinderturn­en an. Sein Mann wusste von den Taten des Angeklagte­n laut den Ermittlung­en nichts. Die zunächst auch gegen den Partner geführten Ermittlung­en wurden eingestell­t. Dieser war stellvertr­etender Leiter der integrativ­en Würzburger Kita, die einer der Tatorte war.

Nebenklage­vertreter Bernhard Löwenberg fasste die Gefühlslag­e einiger Betroffene­r zusammen: „Unsere Mandanten sind seit Monaten beeinträch­tigt in ihrem Alltag.“Sie seien „im Prinzip kopflos“, fänden keine Worte für das Geschehene. „Wir möchten, dass der Angeklagte nie wieder herauskomm­t.“Für die Verhandlun­g sind elf Prozesstag­e bis Ende April anberaumt.

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