Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Schutzmasken im Friseursalon
Die Bewohner der USA rüsten sich für das Coronavirus – Experten kritisieren die anfängliche Gelassenheit Donald Trumps
Von Frank Herrmann
GWASHINGTON - Auch in den USA breitet sich das Coronavirus aus. Experten rechnen mit einer sehr hohen Dunkelziffer an Infizierten, weil bisher zu wenig getestet wurde. Die Bewohner versuchen daher, das Virus mit ungewöhnlichen Methoden in Schach zu halten.
So wie Adilisha Patrom. Sie hat einen leerstehen Eckladen ihres Friseursalons in Washington zu einer Mini-Apotheke umfunktioniert. Drei Tische, darauf Mundschutzmasken und Desinfektionsmittel, daneben Flugblätter mit Hinweisen für das Verhalten in Zeiten der Corona-Krise.
Die ersten Masken kaufte sie im November, nachdem bei ihrem Vater Krebs diagnostiziert worden war. Patrom deckte sich reichlich damit ein, und als ihr schwante, dass sich das Coronavirus auch in den USA ausbreiten würde, hat sie Tausende davon geordert, dazu kleine Plastikflaschen mit Handdesinfektionsmittel. Letztere sind in Drogerien nur noch schwer zu bekommen. In den Baumärkten gibt es keine Schutzmasken mehr. Bei Patrom ist das alles nur etwas teurer, als es normalerweise kosten würde. Nun ist es nicht so, dass sich vor ihrem Laden lange Warteschlangen bilden.
Generell scheint die Stadt die Krise eher gelassen zu nehmen. In den U-Bahn-Waggons herrscht das übliche Gedränge, nur achten die Passagiere
darauf, sich nicht mit nackten Händen an Haltegriffen festzuhalten. Und auch sonst ist von Panik bisher nur wenig zu spüren. Beim Vorwahlduell um die demokratische Präsidentschaftskandidatur haben weder Joe Biden noch Bernie Sanders bislang auf Großveranstaltungen verzichtet. Dagegen steht, dass bereits sechs Bundesstaaten den Notstand ausgerufen haben. Die Digitalmesse
„South by Southwest“im texanischen Austin wurde abgesagt.
Immer klarer wird, dass US-Präsident Donald Trump die Gefahr erst unterschätzte und dann herunterspielte. Trump, schreibt die „New York Times“, habe die Epidemie kaum ernst genommen, solange nur andere Länder betroffen gewesen seien. Mit einem Ende Januar verhängten Einreisestopp für Reisende aus China habe man im Weißen Haus offenbar geglaubt, die Ausbreitung des Virus lasse sich aufhalten. Tatsächlich, so sehen es Fachleute, ging nur wertvolle Zeit verloren.
„Wir wussten, was kommen würde. Aber wir haben Däumchen gedreht, während Covid-19 heranwalzte“, sagt der Harvard-Professor William Hanage, ein renommierter Spezialist für Seuchenbekämpfung. Statt einen Test der Weltgesundheitsorganisation anzuwenden und möglichst viele Verdachtspersonen auf das Virus zu überprüfen, entwickelte die amerikanische Seuchenschutzbehörde (CDC) einen eigenen Test. Der erwies sich als fehlerhaft. Und da es an Testkapazitäten mangelte, wurden die Kriterien dafür, wer überprüft wird, eng definiert. Bis zum Wochenende, so die CDC, habe man in eigener Regie 1583 Verdachtsfälle getestet. Private Laborunternehmen sind erst seit wenigen Tagen eingebunden.
Aktuell sind in den USA 510 Corona-Fälle registriert, 21 Menschen starben an den Folgen der Infektion. Die Dunkelziffer der Infizierten, vermuten Fachleute, dürfte weit über den offiziellen Zahlen liegen, zumal der Regierung der Überblick fehlt.
Hinzu kommt, dass Trump nicht zum Gefühl beiträgt, die Situation unter Kontrolle zu haben. Erst am Freitag, bei einem Besuch der CDCZentrale in Atlanta, sprach er von einem „supergenialen“Onkel, der in Boston an einer der führenden Hochschulen des Landes lehrte und von dem er offenbar das Wissenschaftler-Gen geerbt habe. „Die Leute sind überrascht, wie viel ich davon verstehe“, prahlte er. „Vielleicht bin ich ein Naturtalent.“