Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Amtsgericht Tettnang verurteilt Stalker
Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten gegen Mann ausgesprochen.
„Ich hatte Panik. Ich hatte Angst alleine zu sein. Meine Mutter musste ständig zu Hause sein.“
Das Opfer des Stalkers
BODENSEEKREIS - Sein Opfer war eine Zufallsbekanntschaft. Er hatte die hübsche, junge Frau mit den langen blonden Haaren im Bus gesehen und sich gleich in sie verliebt. Doch diese Liebe artete in einen krankhaften Wahn aus und endete schließlich vor dem Amtsgericht Tettnang. Dort verurteilte Richter Peter Pahnke am Montagmittag einen 35-jährigen Mann aus dem Bodenseekreis wegen Nachstellung in Tateinheit mit versuchtem, gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten.
Der Angeklagte, der derzeit eine neunmonatige Haftstrafe wegen Wohnungseinbruch, Diebstahl und Drogenbesitz verbüßt, räumte vor dem Tettnanger Schöffengericht die Taten vollumfänglich ein. Am liebsten hätte er sich aber wohl gar nicht mehr dazu geäußert und den Prozess möglichst schnell hinter sich gebracht. „Die Sache ist mir peinlich genug. Was soll ich dazu sagen? Es stimmt, was da steht. Da braucht man nicht mehr rumbohren,“entgegnete er auf die Frage von Richter Pahnke nach den Beweggründen für die Taten.
Diese ereigneten sich von Oktober 2017 bis November 2018. In diesem Zeitraum schrieb der Angeklagte unzählige Briefe, E-Mails und Facebook-Nachrichten an die junge Frau, in denen er sie mal als „rettenden Engel“, „Traumfrau“oder aber auch als „du geile Drecksau“bezeichnete und verkündete: „Ich werde nie loslassen, bis ich dich habe.“
Die heute 20-Jährige wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft des Angeklagten, sodass die beiden häufig den gleichen Bus nutzten. Auf einer dieser Fahrten entwendete der 35-Jährige, der sich immer ungefragt im Bus neben sie setzte, die Gitarre des Opfers mit der Aufforderung, diese könne sie später bei ihm zu Hause abholen. Diesen Dienst übernahm dann allerdings die Polizei.
Mehrmals näherte sich der Angeklagte seinem Opfer auch körperlich, umklammerte sie von hinten mit den Worten: „Hase, du gehörst mir“. Auf ihrem Auto hinterließ er Geschenke in Form von Deorollern, Teelichtern und
Schokolade. Ein anderes Mal befestigte er ein Schloss an ihrem Autoreifen, um sie am Wegfahren zu hindern.
Die rechtlich schwerwiegendste Tat beging er unter starkem Alkoholeinfluss, als er an den vier Reifen ihres Fahrzeugs die Radmuttern löste. Er schraubte an jedem Reifen jeweils vier der insgesamt fünf Muttern ab. Anschließend befestigte er die Radkappen wieder an den Reifen. Eine Radmutter deponierte er auf dem Autodach. Als die junge Frau mit dem Auto losfuhr und, durch das Geräusch der herunterfallenden Radmutter verunsichert, ihre Mutter kontaktierte, entdeckten beide, mittlerweile durch die monatelangen Nachstellungen des Angeklagten misstrauisch geworden, den Schaden.
Nach Ansicht von Verteidiger Daniel Mahler war auch diese Tat nur ein weiterer Versuch, mit dem Opfer in Kontakt zu treten. „Wenn ich an einem Auto die Radmuttern abdrehe, ist es nicht dazu gedacht, eine Frau kennenzulernen. Da besteht eher die
Chance, dass ich die Frau verliere,“entgegnete Richter Pahnke.
An ein im Januar 2019 vom Amtsgericht Tettnang verhängtes Annäherungsverbot hielt sich der Angeklagte, sodass das als Zeugin geladene Opfer seinen Peiniger nun erstmals vor Gericht wiedersah. Obwohl die junge Frau inzwischen wieder in ein normales Leben zurückgefunden hat, ließ der Anblick des Mannes alte Gefühle in ihr hochkommen, wie sie erklärte. „Er ist mir ständig hinterhergelaufen. Er schlich ums Haus. Ich hatte Angst rauszugehen. Ich hatte wirklich Angst vor ihm,“schilderte sie ihre Erlebnisse. Sie fühlte sich ständig beobachtet und habe deswegen auch stets die Rollladen der Wohnung heruntergelassen. Auf der Straße habe sie sich immer umgedreht, in Erwartung ihrem liebeskranken Verfolger zu begegnen. Generell habe sie es vermieden, alleine zu Hause oder unterwegs zu sein. „Ich war mega hilflos. Wir haben ständig die Polizei gerufen, aber die haben gesagt, sie können nichts machen. Ich hatte Panik. Ich hatte Angst alleine zu sein. Meine Mutter musste ständig zu Hause sein,“gab die junge Frau einen kleinen Einblick in ihre seelischen Qualen.