Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Land verteidigt seine Corona-Politik
Landkreise fühlen sich im Stich gelassen – Regierung verspricht Hilfe für Unternehmen
STUTTGART - Die Landesregierung sieht Baden-Württemberg weiter gut gerüstet im Kampf gegen das Coronavirus. Betroffene Betriebe können auf rasche Unterstützung hoffen. Kritik an ihrem bisherigen Vorgehen wiesen Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein Gesundheitsminister Manfred Lucha (beide Grüne) am Dienstag vehement zurück.
Kretschmann betonte: „Es ist bislang in Baden-Württemberg gelungen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und zu verlangsamen.“Ein Ende der Infektionswelle sei aber nicht in Sicht, es werde weitere Fälle geben. Derzeit handelt es sich laut Lucha bei 90 Prozent der Infizierten um Rückkehrer aus Risikogebieten und deren Kontaktpersonen. Deswegen sei zwar Vorsicht geboten, generelle Ausgangssperren oder Empfehlungen, zu Hause zu bleiben, machten aber keinen Sinn.
Am Nachmittag gab sein Ministerium bekannt: Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern sollen rasch verboten werden. Entsprechende Regeln seien auf dem Weg. So lange es die nicht gibt, können nur Kommunen Veranstaltungen verbieten. Die Kreisgesundheitsämter können Empfehlungen aussprechen.
Daran hatte sich Kritik gerührt. Alexis von Komorowski ist Chef des Landkreistages, der die Interessen der Kreise vertritt. Er sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „Wir haben ein Déjà-vu wie in der Flüchtlingskrise.“Das Land ziehe sich aus der Verantwortung und überlasse sie den Kommunen. Er forderte einen Strategiewechsel.
Das Land müsse sich jetzt auf den Schutz besonders gefährdeter Gruppen konzentrieren – etwa auf Alte, Kranke und Pflegepersonal. Wenn man weiter so rigoros Personen isoliere, seien die wirtschaftlichen Schäden nicht absehbar. Auch das Gesundheitssystem werde überlastet. So sind an der Uniklink Tübingen viele Oberärzte in Quarantäne, weil einer von ihnen infiziert war und vor dem Test an einer gemeinsamen Sitzung teilgenommen hatte.
Ministerpräsident Kretschmann wies die Aussagen des LandkreisVertreters scharf zurück. „Solche öffentlichen Äußerungen in einer Krise gehen gar nicht.“Die Kreise seien in den Krisenstäben zu Corona vertreten, dort hätten sie solche Kritik nie geäußert. Lucha sprach von „fachlich nicht angemessenen“Aussagen. Das
Land habe sich an die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und an die Linie des Bundesgesundheitsministeriums gehalten. Alles andere führe zu Verunsicherung.
Die Landesregierung versprach erneut, Geld zur Unterstützung von Unternehmen bereitzustellen. Diese würden zusätzlich zu Hilfen des Bundes fließen. „Es gibt schwere Kollateralwirkungen auf die Wirtschaft. Wir werden Unternehmen schnell und unbürokratisch helfen, etwa mit Steuerstundungen und Liquiditätshilfen“, versprach Kretschmann.
Tourismusminister Guido Wolf (CDU) plädiert dafür, den Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie auf einheitlich sieben Prozent zu senken – eine seit Langem auch von den Gastwirten selbst erhobene Forderung. Bisher gilt der ermäßigte Satz von sieben Prozent nur, wenn Kunden Essen zum Mitnehmen bestellen.
Wer im Restaurant isst, zahlt die üblichen 19 Prozent. „Der unterschiedliche Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie ist ein erhebliches Investitionshindernis“, sagte Wolf der „Schwäbischen Zeitung“.
Schon jetzt seien die Einbußen im Hotel- und Gaststättengewerbe erheblich, dabei sei ein Ende der Corona-Krise noch nicht absehbar. Er gehe nach Gesprächen mit der Branche davon aus, dass bei drei von vier Betrieben im Hotel- und Gastgewerbe der Umsatz deutlich zurückgegangen ist. Vor allem die Absagen von Messen, Tagungen, Firmenveranstaltungen und Geschäftsreisen führten zu einer enormen Zahl von Stornierungen. In diesem Bereich liege der Rückgang des Buchungsvolumens bei rund 80 Prozent.
Rückendeckung erhält er von CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann, die ebenfalls Hilfen für die Wirtschaft forderte. „Wie drastisch sich das Coronavirus auf unsere Wirtschaft auswirkt, ist heute noch gar nicht abzusehen. Fakt ist: Die Umsätze vieler Hotels und Gaststätten sind durch das Coronavirus bereits stark eingebrochen.“
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