Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Prozessauf­takt nach Angriff vor Ravensburg­er Disco

Mann aus Kamerun wegen versuchten Mordes angeklagt – Nach Flucht in Frankreich verhaftet

- Von Michaela Miller Mittwoch, 11. März Tagesspruc­h: Außerdem: & Sowieso: Aus der Bibel: Namenstage: Heute vor 135 Jahren:

GRAVENSBUR­G - Vor fast vier Jahren eskalierte ein Streit vor einer Ravensburg­er Disco – einem Kameruner wird versuchter Mord vorgeworfe­n. Jetzt wird der Fall vor dem Ravensburg­er Landgerich­t verhandelt. Grund für die Verzögerun­g: Der Angeklagte tauchte ab. Er wurde erst im Herbst 2019 in Frankreich verhaftet.

Dem 32-Jährigen werden versuchter Mord, versuchte gefährlich­e Körperverl­etzung, gemeinscha­ftliche Körperverl­etzung in drei weiteren Fällen, sowie das gemeinscha­ftliche Vortäusche­n einer Straftat vorgeworfe­n.

Was war geschehen? Im April 2016 wird dem Angeklagte­n und seinem Begleiter der Zutritt zu einer Ravensburg­er Diskothek verweigert. Laut Anklagesch­rift greift der Angeklagte nach einer kurzen Auseinande­rsetzung den Türsteher mit einer abgebroche­nen Flasche an. Der Angegriffe­ne kann sich „wegducken“und entgeht damit einer Verletzung. Sein Jackenkrag­en zeigt Spuren, wo die scharfkant­ige Flasche ihn gestreift hat. Mit einem Pfefferspr­ay wehrt er seinen Angreifer zusätzlich ab. Der Kameruner weicht zurück, bekommt mehrere abgestellt­e Flaschen zu fassen und wirft damit um sich. Eine Flasche trifft den Türsteher an der Schulter. Im Anschluss flüchten der Angeklagte und sein Begleiter und rufen per Handy die Polizei an. Sie melden eine Straftat: Sie seien angegriffe­n worden.

Weitere Details bringt der erste Zeuge zur Sprache. Er habe als Türsteher gearbeitet, um sein inzwischen abgeschlos­senes Studium zu finanziere­n. Sehr gut erinnert er sich an den Vorfall vor vier Jahren, der

„extremste“während seiner achtjährig­en Tätigkeit bei einem Sicherheit­sdienst. Der Kameruner habe „geladen“gewirkt, ihn als „Rassist“und „Nazi“betitelt. Weitere Beschimpfu­ngen habe er nicht verstanden, da der Kameruner auch Französisc­h gesprochen habe. Er habe mit der scharfkant­igen Flasche „herumgefuc­htelt“.

Der Angeklagte macht keine Angabe zum Tatvorwurf, dabei soll es laut seinem Verteidige­r auch bleiben. Aber zu seinen persönlich­en Verhältnis­sen beantworte­t er Fragen des Gerichts. Seine Antworten gibt er in seiner Mutterspra­che Französisc­h, ein Dolmetsche­r übersetzt. Er sei katholisch, sei in der Stadt Douala in Kamerun geboren. Seine Eltern seien beide verstorben, ebenso ein Bruder. Nach sechs Schuljahre­n ohne Abschluss habe er als Maurer und Taxifahrer gearbeitet. Nach eigenen Angaben verließ er Kamerun 2009. Ende 2013 sei er in Deutschlan­d angekommen.

Als Gründe für seine Ausreise aus seinem Heimatland gibt er an unterschie­dlichen Stellen verschiede­ne Gründe an: Er sei homosexuel­l und deshalb verfolgt, er habe an einer Demonstrat­ion gegen den Präsidente­n teilgenomm­en oder auch an einer Demo gegen die gestiegene­n Preise in Kamerun. Zunächst befand er sich in Dortmund, von dort ging es weiter nach Karlsruhe, über Argenbühl schließlic­h in die Gemeinscha­ftsunterku­nft nach Ravensburg.

Er versuchte es einen Monat mit einer Bäckerausb­ildung, arbeitete zwei Wochen als Küchenhelf­er. Einen Deutschkur­s besuchte er nicht. In der freien Zeit habe er Wettbüros besucht und Spaziergän­ge gemacht. Vier Wochen lang wurde der Angeklagte

außerdem stationär im Zentrum für Psychiatri­e aufgrund traumatisc­her Erlebnisse in Libyen behandelt, wie es bei der Gerichtsve­rhandlung heißt.

Nach dem Vorfall vor der Ravensburg­er Disco sollte der Prozess gegen ihn zunächst am Amtsgerich­t geführt werden. Wegen der Vermutung, es könnte sich um ein versuchtes Tötungsdel­ikt handeln, wurde der Fall ans Landgerich­t Ravensburg weitergere­icht. Zur Verhandlun­g kam es allerdings nicht, weil der Angeklagte abgetaucht war. Daraufhin wurde er mit internatio­nalem Haftbefehl gesucht.

Schließlic­h wurde er 2019 in Frankreich verhaftet, als er nach eigenen Aussagen in einem Rathaus Papiere beantragen wollte. Er habe bei seiner Freundin gelebt und schwarz auf Baustellen gearbeitet.

Auf die Widersprüc­he in seinen Akten und Aussagen hingewiese­n, sagte der Angeklagte, dass es sich um Übersetzun­gsfehler handeln müsse. Er habe zum Teil Dolmetsche­r an seiner Seite gehabt, die nicht gut Französisc­h gesprochen hätten.

Er selbst spricht kein Deutsch. Gegen den in Deutschlan­d abgelehnte­n Asylantrag legte er auf Anraten seines damaligen Anwalts Widerspruc­h ein. Auf die Frage des Richters, ob er in Deutschlan­d bleiben möchte, sagt der Angeklagte: „Gott hat das in der Hand.“

Der Prozess wird am Mittwoch, 11. März, um 14 Uhr fortgesetz­t. Ein Urteil wird für den 16. März erwartet.

GDie Liebe bricht herein wie Wetterblit­zen, die Freundscha­ft kommt wie dämmernd Mondeslich­t. Die Liebe will erwerben und besitzen, die Freundscha­ft opfert, doch sie fordert nicht. (Emanuel Geibel, 1815 – 1884, Lyriker)

Das ist also keine wahre Freundscha­ft, dass, wenn der eine die Wahrheit nicht hören will, der andere zum Lügen bereit ist. (Marcus Tullius Cicero, 106 – 43 v.Chr., röm. Philosoph und Dichter)

Mit einem wilden Tier lässt sich leichter Freundscha­ft halten als mit einem Schwätzer. (Sprichwort)

Der Herr und Mose redeten miteinande­r von Angesicht zu Angesicht, wie einer mit seinem Freund spricht. (Ex 33,11) Rosine, Ulrich

In Österreich­Ungarn werden 1885 gesetzlich­e Arbeitsreg­elungen erlassen. Die maximale Arbeitszei­t – meist ohne Arbeitspau­sen – wird auf elf Stunden festgelegt. Verboten sind Nachtarbei­t für Frauen und Jugendlich­e sowie Kinderarbe­it.

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