Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Zeugen fehlen zum Prozessauftakt
Die Verhandlung wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung wird vertagt
SALEM (naa) - Wichtige Zeugen aus Rumänien und der Ukraine fehlten am Mittwoch vor dem Landgericht Konstanz. Deshalb ist ein Strafprozess um einen versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung am Ende des ersten Verhandlungstages geplatzt. Ein 43-jähriger Bauarbeiter aus der Ukraine soll im Juni 2019 auf der Großbaustelle „Neue Mitte“in Salem einen Kollegen hinterrücks mit einem Messer lebensgefährlich verletzt und dessen Tod in Kauf genommen haben.
Der Angeklagte äußerte sich vor Gericht nicht. Einer der Arbeiter feierte an jenem Abend in einem der
Wohncontainer seinen 50. Geburtstag und es floss reichlich Bier. Dann gab es Streit. Der 43-Jährige soll auf einen Kollegen eingeschlagen und -getreten haben, mit dem er schon tagsüber einen Disput hatte.
Einem 48-jährigen Kollegen gelang es, den Angreifer zu beruhigen. Aber gegen zwei Uhr morgens bekam er selbst dessen Wut zu spüren. Ohne Vorwarnung soll der ihm plötzlich von hinten einen messerähnlichen Gegenstand rund drei Zentimeter tief zwischen die Rippen gerammt haben. Die Lunge wurde getroffen und es blutete stark, als das Opfer zu Boden ging. Sein Zimmergenosse versuchte Erste Hilfe zu leisten und rief Krankenwagen und Polizei. Im Klinikum Friedrichshafen handelte man schnell. Eine lebensrettende Drainage ließ die Lunge wieder richtig arbeiten. Ohne die rasche Hilfe hätte die Verletzung zum Tode führen können, erklärte der Notarzt gestern.
Wie man überhaupt darauf kam, den 43-jährigen Angeklagten zu verdächtigen, erläuterte gestern ein junger Polizeibeamter. Er war mit Kollegen vor Ort, bevor die Kripo die Ermittlungen übernahm. Nach dem Täter befragt, schrieb ihm damals einer der umstehenden Männer nach langem Zögern den Vornamen des Angeklagten
in sein Notizbuch. Nun hatte man eine Spur. Hubschrauber und Suchhunde wurden eingesetzt, um den 43-Jährigen zu finden. Gegen sechs Uhr morgens erschnüffelte ein Personensuchhund die Spur des Gesuchten, die zu einem Bach führte. Dort hielt sich der Mann unter einer Brücke versteckt. Mit den Füßen im Wasser und von einer Beamtin mit der Waffe bedroht, leistete er bei der Festnahme keinen Widerstand. Seit acht Monaten sitzt er in Untersuchungshaft. Am Morgen des ersten Prozesstages wurde er rotgesichtig und tränenüberströmt in den Gerichtssaal geführt. Zu den Vorwürfen sagte er erst einmal nichts. Und auch über seine persönlichen Umstände machte er keine Angaben. Das 48jährige Tatopfer soll ihn zunächst gedeckt, und von einem Unbekannten gesprochen haben, der auf ihn eingestochen habe. Später soll er dann aber den Angeklagten als Täter benannt haben. Das Gericht ist dringend auf die Aussagen des Geschädigten und seiner Kollegen angewiesen. Die Zeugen sollen nun mithilfe eines Rechtshilfeersuchens in Rumänien und der Ukraine ausfindig gemacht werden. Bis der Prozess neu aufgerollt werden kann, dürfte es mehrere Monate dauern.