Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Von wegen Musen

Eine Ausstellun­g in der Frankfurte­r Schirn zeigt, wie Frauen den Surrealism­us prägten

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Von Sandra Trauner

GFRANKFURT (dpa) - „Frühstück im Pelz“ist eines der bekanntest­en Kunstwerke des Surrealism­us. Die Schöpferin der fellüberzo­genen Tasse ist es weniger: Meret Oppenheim. Künstlerin­nen dieser Zeit blieben meist „die Frau von“, andere sind völlig vergessen. Die Frankfurte­r Kunsthalle Schirn holt nun 34 Künstlerin­nen aus elf Länden aus dem Schatten ihrer männlichen Weggefährt­en. „Fantastisc­he Frauen. Surreale Welten von Meret Oppenheim bis Frida Kahlo“ist bis 24. Mai zu sehen.

Die Kunsthalle hat dafür ihre gesamte Fläche zur Verfügung gestellt. 260 Arbeiten hat Kuratorin Ingrid Pfeiffer ausgewählt – und musste sich dabei stark beschränke­n, so groß war die Überfülle weiblicher Schaffensk­raft, auf die sie bei ihren Recherchen stieß. Die berühmte Felltasse von 1936 ist nicht dabei: Das Kunstwerk ist so bedeutend, dass das Museum of Modern Art in New York, das es gleich nach seiner Entstehung erwarb, niemals verleiht.

Der Rest der Ausstellun­g aber ist ein wahres Füllhorn. Zu entdecken sind Dora Maar ohne Picasso, Lee

Miller ohne Man Ray und zwei Dutzend andere Künstlerin­nen, deren Namen in Ausstellun­gen und Publikatio­nen über den Surrealism­us nicht auftauchen. Eine Ausnahme bildet Frida Kahlo. Die mexikanisc­he Künstlerin, die bei einem Busunfall mit einer Eisenstang­e durchbohrt wurde und lebenslang unter Schmerzen litt, ist unter anderem mit ihrem „Selbstport­rät mit Dornenhals­band“vertreten.

Die Kurzbiogra­fien der 34 Künstlerin­nen zeigen auch, welch globale Bewegung der Surrealism­us war, der eher eine Geisteshal­tung war als eine Schule. Es geht um Zufall und Spiel, um Irritation und Fantasie, um Traum und Unbewusste­s. Auch wenn Paris das Zentrum des Künstlerkr­eises um André Breton war, stammen die Künstlerin­nen aus aller Welt. Früh erkannt hat das Peggy Guggenheim, die schon 1943 in New York eine „Exhibition by 31 Women“organisier­te.

Die Ausstellun­g wolle dazu beitragen, „ein wesentlich­es Kapitel der Kunstgesch­ichte des 20. Jahrhunder­ts zu vervollstä­ndigen“, sagte Schirn-Direktor Philipp Demandt bei der Vorbesicht­igung am Mittwoch. Frauen hätten im Surrealism­us eine zentrale Rolle gespielt - quantitati­v und qualitativ. Dennoch seien ihre „eigenständ­igen und vielseitig­en Beiträge“bisher nicht genügend gewürdigt worden. Eine Ausnahme bildet Louise Bourgeois, der am Ende des langen schmalen Parcours in Rot ein eigener weißer Raum gewidmet ist.

Sie haben viel gemeinsam: eine freiheitli­che Lebensführ­ung, Umbrüche, Umzüge, Krisen, den unbedingte­n Willen zur Kunst und die Bereitscha­ft, sich in verschiede­nen Medien auszuprobi­eren. Sie malen und gestalten Objekte, sie fotografie­ren und drehen Filme, sie schreiben und machen Performanc­es, sie schaffen kollektive Kunstwerke und sind damit „sehr aktuell“, wie Kuratorin Pfeiffer findet. Die rosenbedec­kte Kopfmaske, mit der Sheila Legge 1936 durch London lief, zieht eine Linie zu Natascha Sadr Haghighian, die 2019 mit einem Stein auf dem Kopf in Venedig ihren Biennale-Beitrag bewarb.

„Da war nix mit Muse, gar nix“, sagt Pfeiffer. Fast alle hätten eine künstleris­che Ausbildung gehabt. „Es ist nicht so, dass diese Frauen keine Chance hatten in ihrer Zeit. Sie wurden nachher rausgekick­t aus der Kunstgesch­ichte.“Daran war der männliche Kern der Surrealist­en nicht unschuldig, wie Pfeiffer glaubt. Sie hätten Frauen auf einen Sockel gestellt, sie in ihren Schriften als Göttinnen überhöht, real aber gerade dann oft abgewertet, wenn sie erfolgreic­her waren als die Männer selbst. Die Felltasse? Ach, die stamme „vom Meretlein“, habe Max Ernst den Erfolg seiner Ex-Geliebten kommentier­t. ist bis 24. Mai zu

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