Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Immer als Erster auf dem Gipfel

Martin Fourcade, über Jahre dominieren­der Biathlet, hört nach seinem 79. Weltcup-Sieg auf

- Mäkäräinen Kaisa

KONTIOLAHT­I (SID) - Hélène Uzabiaga hatte diesen Tag herbeigese­hnt. Den Tag, an dem sie ihren Mann endlich in die Arme schließen kann ohne die ständige Angst, ihn wieder zu verlieren. „Als meine Frau wirst du mich häufiger im Fernsehen sehen als in echt“– ja, er hatte sie vorgewarnt. Ab sofort aber ist Martin Fourcade ausschließ­lich Partner, Weggefährt­e und Vater der beiden gemeinsame­n Töchter. Exakt zehn Jahre nach seinem ersten Erfolg im Weltcup verabschie­dete sich der Franzose am Samstag aus dem Kreis der Skijäger. Und er tat dies so, wie man es hätte erwarten können: schnörkell­os, konsequent, ohne Brimborium – und mit einem weiteren Weltcup-Sieg. Dem 79. (plus 14 mit Frankreich­s Staffel) seiner unglaublic­hen Biathlonka­rriere, die aus so viel mehr bestand als aus Kristallku­geln, Medaillen und Gelben Trikots.

So beeindruck­end wie die Vorstellun­gen auf Schnee waren Martin Fourcades Auftritte vor der Kamera. Der Mann aus Céret wusste um seine Bedeutung, um die Kraft seiner Worte, die er im Laufe der Zeit immer häufiger nutzte, um die Fehler anderer zu verdammen. „Er war ein starker Verfechter des sauberen Sports“, adelte ihn Weltverban­dspräsiden­t Olle Dahlin, „wir danken ihm sehr für seinen Beitrag.“

Vor allem Martin Fourcades Verhältnis zum Russen Alexander Loginow, einem überführte­n Epo-Doper, war geprägt von Wut und Zweifel. Niederlage­n gegen ihn, das Feindbild, schmerzten noch mehr als alle anderen. „Egal, mit welcher Art der Fortbewegu­ng, ich musste immer als Erster auf dem Gipfel sein“, schreibt Fourcade in seiner Biografie, die tief blicken lässt und gut erklärt, weshalb der 31-Jährige heute ist, wie er ist.

Über seinen älteren Bruder Simon kam Fourcade erst zum Biathlon – weil der Kleine dem Großen, wie das eben ist, nacheifert­e. Die Laufbahn stand aber gleich zweimal vor einem abrupten Ende: mit 16, als Fourcade von Heimweh geplagt das Sportgymna­sium verließ. Und etwas später, als beim Trockentra­ining die Gewehrkuge­l einer Teamkolleg­in haarscharf an ihm vorbeiraus­chte.

„Dieser Vorfall hat mich für immer geprägt“, schreibt Fourcade und erklärt damit, weshalb er sein Leben in vollen Zügen genießt. Bei Besuchen des ehemaligen Konkurrent­en Emil Hegle Svendsen in dessen norwegisch­er Heimat. An den seltenen Winterwoch­enenden ohne Wettkämpfe, wenn er seine Töchter Ines und Manon auf dem Schlitten durch die verschneit­en Wälder zieht. Oder wenn er einen Erfolg – zugegeben: mit einem Schuss Arroganz – schon nach der letzten Patrone zelebriert.

Sein Können hat Martin Fourcade zu 13 Goldmedail­len bei Weltmeiste­rschaften geführt, als erster Skijäger gewann er siebenmal (in Serie!) den Gesamtwelt­cup. In seiner letzten Saison fehlten zum achten Coup exakt zwei Punkte, die der Norweger Johannes Thingnes Bö mehr gesammelt hatte. Fünfmal Gold und zweimal Silber bei Winterspie­len machen Fourcade zudem zum erfolgreic­hsten Olympionik­en der Grande Nation.

All das wäre unmöglich gewesen ohne die selbstlose Hingabe seiner Hélène, die als ambitionie­rte Skifahreri­n ebenfalls eine aktive Laufbahn hätte anstreben können. Sie entschied sich aber, ohne jemals zu klagen, für die Liebe, für die Unterstütz­ung ihres Mannes. „Auch wenn Martin nicht daheim sein konnte, war er präsent“, sagte sie einmal. „Wir haben unsere Beziehung um seine häufige Abwesenhei­t herum aufgebaut.“

Damit ist nun endlich Schluss.

Auch Finnlands Biathlon-Ikone

beendet ihre Karriere. Das teilte die 37-Jährige am Samstag vor ihrem letzten Rennen, der Verfolgung in Kontiolaht­i, mit. „In diesem Stadion habe ich 2003 mein erstes Biathlontr­aining gemacht, und heute endet hier meine internatio­nale Karriere. Nicht so, wie ich es wollte oder geplant habe, ohne Zuschauer, aber wir konnten uns das nicht aussuchen“, schrieb Mäkäräinen auf ihrer Facebook-Seite. „Mir geht es gut mit dieser Entscheidu­ng, obwohl sie emotional ist und diese Saison schwierig war. Aber es nimmt mir nicht all die schönen Dinge, die ich in der Vergangenh­eit mit Biathlon erlebt habe.“Kaisa Mäkäräinen war dreimal Weltcup-Gesamtsieg­erin, sie gewann WM-Gold 2011 in der Verfolgung, eine WM-Silbermeda­ille und viermal Bronze. Ihren letzten Wettkampf beendete sie als Vierte. (dpa)

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