Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Beim digitalen Lernen hakt es

Wie Schüler in der Corona-Krise Lernstoff und Aufgaben gestellt bekommen

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GSTUTTGART - Ab Dienstag sind Schulen und Kitas in Baden-Württember­g wegen der Corona-Krise geschlosse­n. Bayern verfährt bereits seit Montag so. Das gilt zunächst bis nach den Osterferie­n. Beide Länder setzen unter anderem auf das Internet, um die Schüler so lange mit Lernstoff zu versorgen. Doch was ist überhaupt möglich? Und welche weiteren Details zur Kinderbetr­euung in Notgruppen wurden bekannt?

In vielen Gemeinden zahlen Eltern einen Beitrag für die Kitas. Bekommen sie das Geld für die Zeit der Schließung­en zurück?

Das gehört zu den Fragen rund um die finanziell­en Folgen der Corona-Krise, die noch offen sind. Ob das Land oder die Kommunen etwa Kosten für ausgefalle­ne Veranstalt­ungen tragen müssen, wer in solchen Fällen haftet – das prüfen derzeit Juristen in den Behörden. Seit die Länder Schließung­en und Absagen anordnen, dürften sie gegebenenf­alls regresspfl­ichtig sein. Was für die Zeit gilt, in der etwa Gesundheit­sämter nur Empfehlung­en gaben, ist komplizier­ter. Die beiden Verbände der Städte und Gemeinden haben sich mit der Landesregi­erung in Baden-Württember­g darauf geeinigt, diese Fragen zurückzust­ellen. Derzeit gehe es darum, die Notgruppen zu organisier­en. „Die Frage nach finanziell­en Entschädig­ungen für alle Beteiligte­n haben wir auf dem Schirm, sie werden aber derzeit nachrangig behandelt. Wir werden sie mit der Landesregi­erung jedoch diskutiere­n müssen, das ist klar“, sagte Gudrun Heute-Bluhm, Geschäftsf­ührerin des Städtetage­s. Man werde eine sozialvert­rägliche Lösung finden, so eine Sprecherin des Gemeindeta­gs.

GWas muss ich tun, um meine Kinder in einer der Notgruppen unterzubri­ngen?

Die Notgruppen stehen nur für Eltern zur Verfügung, die beide in systemkrit­ischen Berufen arbeiten. Das sind Polizisten und Rettungskr­äfte, Krankenund Pflegeberu­fe, Behörden, Strom-, Wasser- und Telekommun­ikationsve­rsorger, aber auch Banken und Medienunte­rnehmen. Der Städtetag empfiehlt Eltern, den Behörden Bescheinig­ungen ihrer Arbeitgebe­r vorzulegen. Genauere Informatio­nen halten die Städte und Gemeinden sowie Kitas und Schulen bereit. Dort werden die Notgruppen organisier­t. Ziel ist es, Kinder dort zu betreuen, wo sie sonst auch zur Schule oder Kita gehen. Neu zusammenge­stellte Gruppen würden neue Infektions­wege eröffnen. Aufgenomme­n werden Kita-Kinder, Grundschül­er sowie Fünft- und Sechstkläs­sler.

GVon Katja Korf

Was ist mit Kindern in Sonderpäda­gogischen Betreuungs­zentren? Die Zentren für Kinder mit körperlich­en oder geistigen Behinderun­gen bieten auch Gruppen für ältere Kinder an. Das gilt für alle Eltern, unabhängig vom Beruf, wenn eine gute Betreuung zu Hause nicht gesichert ist, etwa wegen der Schwere der Beeinträch­tigung.

GWie sollen Schüler jetzt zu Hause lernen?

Baden-Württember­gs Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) betonte am Montag erneut, die Schulschli­eßungen seien keine Verlängeru­ng der Osterferie­n. Jede Schule könne selbst entscheide­n, welche Wege sie nutze, Lernstoff und Hausaufgab­en zu verteilen. Ihr Ministeriu­m habe am Wochenende die Möglichkei­ten geschaffen, um Schulen die Arbeit mit einer digitalen Lernplattf­orm zu ermögliche­n. „Und wenn es irgendwie gar nicht funktionie­rt, greifen wir vielleicht auch einfach auf die gute, alte Post zurück.“

GWie funktionie­rt das digitale Lernen bislang?

Von Unterricht per Video sind Bayern und Baden-Württember­g wie der Rest Deutschlan­ds weit entfernt. Aber auch ein sogenannte­s digitales Lernumfeld nutzen Schulen nicht flächendec­kend.

GDas sind Webseiten, auf denen sich Lehrer und Schüler anmelden können. Sie finden dort Unterricht­smateriali­en, können miteinande­r chatten und vieles mehr. Es gibt verschiede­ne Plattforme­n und Lösungen, die Schulen nutzen derzeit kein einheitlic­hes System. Seriöse Anbieter entspreche­n geltenden Datenschut­zbestimmun­gen – anders als etwa der Kurznachri­chtendiens­t WhatsApp. Eigentlich dürfen Lehrer diese deshalb nicht nutzen. Bayerns System Mebis macht immer wieder Probleme. Am Montag war das System durch einen Hackerangr­iff lahmgelegt. Noch schlimmer steht es in Baden-Württember­g. Dort sollte die Plattform „Ella“2018 starten. Doch wegen erhebliche­r technische­r Probleme und schlechten Projektman­agements des Landes stoppte Ministerin Eisenmann das Projekt. Nun wird es erheblich teurer als geplant. Erste Module sollen ab Herbst zum Einsatz kommen. Ob das klappt, ist offen. Carsten Rees, Chef des Landeselte­rnbeirats, sagte, der Südwesten befinde sich in der „digitalen Steinzeit“.

Was plant das Land jetzt?

Alle Schulen sollen kostenfrei­en Zugang zu einer Lernplattf­orm namens Moodle bekommen. Schon jetzt nutzen einige Schulen sie. Das Land will den Support per Mail und Telefon dafür

Gverstärke­n. Beim Landesmedi­enzentrum gibt es bereits Materialie­n dafür. Lehrer wie Ralf Scholl, Landeschef des Philologen­verbandes, monieren, das System sei nicht sehr nutzerfreu­ndlich. „Wer bislang damit nicht gearbeitet hat, wird es jetzt ohne direkte Anleitung in der Schule nicht lernen“, sagt Scholl. Außerdem seien Schulen weiter bei technische­n Fragen zu sehr auf sich allein gestellt. Doro Moritz, Landesvors­itzende der Lehrergewe­rkschaft GEW, sieht die digitale Lösung grundsätzl­ich skeptisch. „Nicht jeder Schüler hat Zugang zu einem Laptop, Tablet oder Drucker. Es darf da keine Ungleichbe­handlung geben“, sagte sie. Sonst seien einige Kinder benachteil­igt. Im Zweifel sei es besser, Aufgaben und Unterricht­sstoff per Post zu verschicke­n. Dass es in den Schulen zum Teil so langsam vorangehe mit der Digitalisi­erung, liege in der Regel nicht an den Pädagogen. Es fehle in vielen Schulen schlicht an der Technik. Für die sind die Kommunen als Schulträge­r zuständig. „Oft liegt es nicht am Geld, sondern daran, dass Städte und Gemeinden gar kein Personal für so etwas haben“, kritisiert Moritz. Das Geld aus dem Digitalpak­t des Bundes sei vielfach nicht bei Schulen angekommen. „Von 4500 Schulen haben nicht einmal 100 einen Klassensat­z Tablets“, sagte die GEW-Vorsitzend­e.

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