Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Uli Masuth macht das Licht aus
Das war’s nun wohl mit dem Kulturleben: Kabarett im Theater Atrium
Von Harald Ruppert
GFRIEDRICHSHAFEN - Der Mann hinter der Theke reicht eine Flasche Bier über die Theke – in Gummihandschuhen. Der Situation haftet etwas Gespenstisches an: Im Atrium geht die wohl letzte Kulturveranstaltung in Friedrichshafen über die Bühne, zumindest bis die CoronaPandemie unter Kontrolle ist. Der Kabarettist Uli Masuth aus Weimar weiß, was kommen wird und warnt davor: „Jede dritte Ehe wird geschieden. Diese Quote wird sich steigern. Ich sage nur: Homeoffice.“
Scheidung oder Corona: Du hast keine Chance, aber nutze sie. Mit diesem Galgenhumor hat Masuth die Lacher auf seiner Seite. Es sind die Lacher weniger Besucher, die mit Sicherheitsabstand im Raum verstreut sitzen, und Masuth nimmt die Ungewissheit der gegenwärtigen Lage auf: „Wohin die Reise geht, wissen wir heute weniger denn je. Aber wir sind umso schneller da.“
Masuths Witz ist wie gemacht für die gegenwärtige Lage, und er beschwichtigt sein Publikum mit einem kritischen Blick auf die Medien: „Im Minutentakt wird über Corona berichtet. Und mit welcher Begründung? Damit keine Panik aufkommt.“Keine Frage: Masuths Profil als Kabarettist ist so scharf geschnitten wie sein Gesicht. Deshalb ist sein Programm „Mein Leben als ICH“mitunter auch ein politisches Standgericht. Nur kann man sich auf die Schützen, die das Urteil zu vollstrecken haben, leider nicht verlassen. Das zeigt Donald Trumps Staatsbesuch in London: „41 Salutschüsse, und alle haben ihn verfehlt.“Dass Masuth zu solchen Scherzen lässigen Barjazz ins Klavier klimpert, färbt sie nur noch böser. Aber böse sind ja auch die Zeiten. Dass ein AfD-Chef ausgerechnet „Gauland“heißt, zeigt schon, wohin der Reiseleiter der Rechten steuert: stramm zurück in den Nationalsozialismus und seine Reichsgaue. Und mithilfe eines FDP-Politikers namens Thomas Jämmerlich, äh, Kemmerich, wurde schon mal versucht, sich ein Land zu kapern.
Gekapert ist auch die deutsche Steuerpolitik, dank Leuten wie Olaf Scholz. Man müsse hier ein effizientes System schaffen, sagte der Finanzminister, aber eines, das von den Unternehmen akzeptiert werde. Masuth bringt es auf den Punkt: „Wer den Teich austrocknen will, muss die Frösche fragen.“Wundert man sich da, dass es mit der Klimapolitik nicht vorangeht? „Corona hat für das Klima schon jetzt mehr getan als die komplette Bundesregierung“, sagt Masuth mit Blick auf den Stillstand, der das Land erfasst hat.
Andererseits könnte die Coronakrise den demokratischen Konsens gefährden – so wie die sogenannte Flüchtlingskrise 2015: „Seitdem die Flüchtlinge hier sind, sind die unmöglichsten Meinungen im Umlauf“, zitiert Masuth eine Bekannte „Leute, von denen man das nicht gedacht hätte, sagen plötzlich, was sie wirklich denken. Ich will nicht, dass wegen der Flüchtlinge unsere Demokratie vor die Hunde geht.“Und wieder schlitzen Masuths Worte die scheinheiligen Harmonien auf, die seine Finger in die Tasten klöppeln.
Masuth baut sein eigenes Leben in den Abend ein. Sein Programm „Mein Leben als ICH“geht immer wieder vom Persönlichen ins Politische, und umgekehrt. Wenn schon der sogenannte Eckrentner nur 1306 Euro Rente kriegt – eine Summe knapp über der Armutsgrenze – wie siehts’s dann erst bei einem Kabarettisten aus? „Wer früher stirbt, ist kürzer arm“, fasst Masuth die Zukunft der deutschen Renten zusammen. „Und bevor Politiker über Rentenauszahlungen schwadronieren, wäre es gut, wenn sie erst mal in die Rentenkassen einzahlen.“
Nach seinem Auftritt lässt sich Uli Masuth von einer Latexhand ein Bier reichen. Dafür, dass es in seiner Branche erst einmal nicht weiter geht, ist er sehr guter Laune. Aber noch sind die nächsten Auftritte auf seiner Homepage nicht abgesagt. Wie derzeit das ganze Land hangelt er sich von Tag zu Tag. Und im Atrium wird das Licht gelöscht.