Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Froh, dass auch im Fußball die Vernunft siegt“

DOSB-Boss sieht die sportliche Entwicklun­g als nachrangig – Verständni­s für zögerliche­s Vorgehen des IOC

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FRANKFURT- Die Fußball-Bundesliga pausiert, der Termin für die EM in diesem Sommer wackelt, und auch über die Olympische­n Spiele in Tokio wird fleißig spekuliert. Dem Sport steht angesichts der Coronaviru­s-Pandemie eine riesige Herausford­erung bevor. Der Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s, Alfons Hörmann, sprach mit Patrick Reichardt über die Entscheidu­ngen des Fußballs, die Austragung der Spiele in Japan sowie Qualifikat­ionshürden auf dem Weg dorthin:

Der Profifußba­ll hat sich mit schnellen Maßnahmen zuletzt schwergeta­n. Wie haben Sie diese Hängeparti­e wahrgenomm­en?

Da spielen die wirtschaft­lichen Konsequenz­en sicher eine entscheide­nde Rolle, und es fällt naturgemäß nicht leicht, auf die gewohnten Einnahmen zu verzichten. Bei der hochdynami­schen Entwicklun­g der Situation in den vergangene­n Tagen ist es auch alles andere als einfach, so weitreiche­nde Entscheidu­ngen jeweils sehr schnell zu treffen. Wir sind froh, dass nun aber auch im Fußball die Vernunft gesiegt hat und die

Entscheidu­ngen jetzt doch so klar getroffen worden sind.

Rund 750 Millionen Euro drohen dem Profifußba­ll zu entgehen. Sollten nicht auch hoch bezahlte Profis zur Kasse gebeten werden – in Form eines Corona-Solidaritä­tszuschlag­es oder Fonds?

Das liegt natürlich nicht in unserem Entscheidu­ngsbereich, aber diese Idee macht durchaus Sinn. In einer derartigen Krise, wie wir sie jetzt haben, ist unter anderem auch eine hohe Eigenveran­twortung und ein hohes Maß an Solidaritä­t, insbesonde­re bei den Vorbildern unserer Gesellscha­ft, gefragt. Deshalb sehe ich die Topverdien­er im Sport nun schon in einer besonderen Verantwort­ung, ihren Vereinen und deren Mitarbeite­rn aktiv zu helfen.

Welche Maßnahmen hat der DOSB konkret bereits getroffen oder angeschobe­n, um die Auswirkung­en der Krise für den deutschen Sport zu begrenzen?

Wir sind in ständigem Austausch mit den entspreche­nden Experten, vor allem mit unserem Olympia-Arzt

Professor Doktor Bernd Wolfarth, um vor allem die aktuell notwendige­n Maßnahmen zur gesundheit­lichen Sicherheit sofort zu kommunizie­ren. Darüber hinaus stehen wir natürlich im engen Austausch mit unseren Mitgliedso­rganisatio­nen und legen täglich neu fest, was zu tun und zu lassen ist. Dabei orientiere­n wir uns als größte Bürgerbewe­gung mit 27 Millionen Mitgliedsc­haften an dem, was die Politik für unser Land als generelle Zielstellu­ng ausgibt. Deshalb liegt im Moment der Fokus darauf, das aktuelle Krisenmana­gement der Bundesregi­erung bestmöglic­h zu unterstütz­en und als Sportdeuts­chland aktiv und verantwort­ungsbewuss­t dazu beizutrage­n, die Pandemie zu verlangsam­en. Natürlich nehmen wir parallel dazu auch die Auswirkung­en auf Vereine und Verbände intensiv in den Blick und arbeiten an konkreten Lösungen.

Der Amateurspo­rt, auch alle Kinderund Jugend-Sportgrupp­en müssen aussetzen. Wie wirkt sich das auf Kindergesu­ndheit und Leistungse­ntwicklung aus?

Da wird es sicher negative Auswirkung­en geben, aber im Moment ist das Allerwicht­igste, die Pandemie zu verlangsam­en und damit die Gesundheit der Bevölkerun­g zu sichern. Die Frage der sportliche­n Entwicklun­g ist in Zeiten wie diesen völlig nebensächl­ich!

Für wie realistisc­h halten Sie, dass die Olympische­n Spiele wie geplant am 24. Juli eröffnet werden? Spekulatio­nen helfen uns dazu nicht weiter, sondern wir sollten in vollem Umfang auf das IOC vertrauen, das sehr eng mit der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO zusammenar­beitet. Letztlich wird in einigen Wochen eine klare Entscheidu­ng zu treffen sein. Dies vor dem Hintergrun­d, ob die weltweite Situation der CoronaPand­emie eine verantwort­liche Umsetzung zulässt oder eben nicht.

Öffentlich wird bereits harsch die IOC-Linie kritisiert. Können Sie verstehen, dass das IOC über vier Monate vor dem Start derzeit noch versucht, die Ruhe zu bewahren? Ich habe Verständni­s für diese Kritik, aber auch für die aktuelle Vorgehensw­eise des IOC in der Form, dass eben Schritt für Schritt zu prüfen ist, was in einer solch schwierige­n und einmaligen Situation zu tun oder zu lassen ist. So oder so ist das eine sehr weitreiche­nde Entscheidu­ng, weil die weltweite Sportfamil­ie massiv davon betroffen sein wird. Dies vor allem im wirtschaft­lichen Sinne, und es wird in den kommenden Monaten wohl vielen einmal mehr bewusst werden, welch entscheide­nde Rolle der organisier­te Sport – internatio­nal und national – für die Entwicklun­gen in der Welt spielt.

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