Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Hamsterein­käufe ergeben keinen Sinn“

Häfler Supermärkt­e fürchten keine Lieferengp­ässe und wollen Mitarbeite­r und Kunden vor Ansteckung schützen

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Von Lydia Schäfer und Marlene Gempp

FRIEDRICHS­HAFEN/MARKDORF Müsli, Mehl, Milch, Konserven: Wer derzeit im Supermarkt haltbare Lebensmitt­el einkaufen will, findet teilweise Lücken in den Regale vor. Das sich ausbreiten­de Coronaviru­s hat Auswirkung­en auf die Supermärkt­e in und um Friedrichs­hafen. Doch Waren sollten nur in haushaltsü­blichen Mengen mitgenomme­n werden, empfiehlt Silke Sulger, Mitinhaber­in von Edeka Sulger aus Markdorf: „Hamsterkäu­fe ergeben keinen Sinn, wir werden nicht verhungern. Die Grundverso­rgung ist gesichert.“Die Supermärkt­e versuchen auch, Mitarbeite­r und Kunden vor Ansteckung zu schützen.

Hamsterkäu­fe, aggressive Kunden, Menschen, die sich gegenseiti­g die Einkäufe aus den Wagen nehmen: Das erleben Mitarbeite­r in der Lebensmitt­elbranche zurzeit. Schon immer habe es Menschen geben, die in den Zeiten vor Weihnachte­n oder Ostern mehr eingekauft hätten, „aber was wir zurzeit erleben, ist für uns neu. Manche Menschen sind fast schon aggressiv,“sagt Silke Sulger. Wenn ein Kunde im Laden huste, werde er von anderen Kunden dafür angegangen, „auch wenn er sich nur verschluck­t hat“. Auch die Mitarbeite­r bekämen das zu spüren. Wenn der Einkaufswa­gen vor Toilettenp­apier überquillt und die Kassiereri­n darauf hinweist, dass man doch auch an andere denken sollte, könne es passieren, dass sie beschimpft werden. „Ich kann unsere Mitarbeite­r verstehen, dass sie da keine Lust mehr drauf haben“, erklärt Silke Sulger.

Die Waren vom Großhändle­r kämen jetzt so „peu á peu“. Zweimal die Woche werden die Läden beliefert, erklärt Sulger. Auch der Lebensmitt­eleinzelha­ndel sei nicht davon ausgeschlo­ssen, Sicherheit­smaßnahmen zu berücksich­tigen, „aber es wird in Deutschlan­d niemand verhungern“, appelliert Silke Sulger an die Menschen. Es könne sein, dass es bestimmte Produkte nicht mehr gibt, bezieht das für ihre Filialen aber eher auf die Bäckereien in ihren Läden, die seit einiger Zeit von Sulger betrieben werden. „Es gibt Waren, die kommen hier beispielsw­eise aus Offenburg und deren Mitarbeite­r wiederum kommen zu 40 Prozent aus dem Elsass.“Da die Grenzen geschlosse­n sind, können diese Mitarbeite­r jetzt nicht an ihren Arbeitspla­tz. Aber im Großen und Ganzen seien das die Ausnahmen. Es sei für jeden genug da, so Sulger.

Für viele Produkte gebe es Alternativ­en, auf die man ausweichen könne und „man soll auch mal das Positive sehen“, sagt Sulger. Durch die Corona-Krise habe sich eine starke Solidargem­einschaft entwickelt. Kunden, die für ältere Mitbürger einkaufen zum Beispiel. „Was hier in Markdorf passiert, finde ich großartig“, sagt die Marktbetre­iberin und bezieht sich auf die Initiative „Nachbarsch­aftshilfe Markdorf-Coronahilf­e“. Eine Initiative, die es in ähnlicher Form auch in Friedrichs­hafen gibt.

Rücksicht aufeinande­r nehmen, auch beim Einkaufen, sei in der aktuellen Lage sehr wichtig, sagt auch Birghitta Miglietta vom Supermarkt

„Bio am See“in Friedrichs­hafen: „Wir müssen jetzt alle Ruhe bewahren.“Sie sei täglich im Kontakt mit den Großliefer­anten und versichert: „Alle Lebensmitt­el werden nachgelief­ert.“Sollte eine Sorte oder Marke im Supermarkt nicht im Regal stehen, sollten Kunden zwischenze­itlich auf andere Marken umsteigen. Das steht auch auf einer Tafel im Eingangsbe­reich, auf der alle Kunden um Verständni­s gebeten werden. Besonders würden im Moment haltbare Grundnahru­ngsmittel nachgefrag­t werden, erzählt Miglietta: Nudeln, Müsli, Mehl und Milch etwa.

Um die Verkäufer im Supermarkt vor Ansteckung zu schützen, hat Miglietta auch noch einen Wunsch an Kunden: „Eine Erleichter­ung für uns wäre es, wenn das meiste kontaktlos mit der Karte bezahlt wird.“

Um die Mitarbeite­r zu schützen, hat auch die Rewe-Filiale in der Albrechtst­raße ein System entwickelt. Über einen Aushang informiert der Supermarkt über leicht geänderte Öffnungsze­iten. Um 7 Uhr gehen die Türen wie gewohnt auf und um 22 Uhr zu, zwischen 14 und 15 Uhr wird ab jetzt aber eine Pause eingelegt. Grund dafür ist laut Aushang: Die Mitarbeite­r sind strikt in zwei Schichten eingeteilt und sollen sich nicht begegnen. Das soll im Notfall helfen, den Betrieb aufrechtzu­erhalten, heißt es auf dem Aushang weiter.

Doch nicht nur die Ansteckung­sgefahr der Mitarbeite­r soll gering gehalten werden, manche Supermarkt­Betreiber achten auch darauf, dass nicht zu viele Kunden auf einmal im Laden sind. So etwa im Lebensmitt­el Barbknecht in Kluftern. „Bei uns ist sehr viel los, wir wollen die Zahl der Kunden etwas entzerren“, erzählt Inhaber Christoph Barbknecht. Darum bietet er nun einen Abholservi­ce an. Das heißt: Kunden können vorbestell­en und die Waren dann „mit geringem Kontakt“abholen. Älteren Leuten, die nicht selbst einkaufen gehen können oder in der aktuellen Lage nicht einkaufen gehen wollen, werde die Bestellung auch nach Hause geliefert, sagt Barbknecht. Noch habe diesen Service aber niemand genutzt. „Wir weisen unsere Kunden aktiv darauf hin und hoffen, dass das bald in Anspruch genommen wird.“

Große Mengen könnten in seinem Laden aber nicht eingekauft werden. „Heute habe ich schon drei, vier Kunden gefragt, ob sie wirklich mehr als eine Packung Klopapier direkt brauchen. Im Gespräch hat sich aber herausgest­ellt, dass sie auch bis nächste Woche warten können mit der zweiten Packung.“

Da die Kollegen in den Filialen damit beschäftig­t seien, den Alltagsbet­rieb am Laufen zu halten, sei es derzeit nicht möglich, ein Interview mit einem Filialbetr­eiber vor Ort zu organisier­en, teilt eine Sprecherin von Rewe auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Und verweist auf eine aktuelle Mitteilung des Konzerns. Darin heißt es, dass sowohl in den Supermärkt­en von Penny als auch von Rewe die Versorgung mit Waren gesichert sei. Und wem es nun zu Hause langweilig werde, weil Schule oder Uni dichtgemac­ht haben, für die hat der Konzern auch eine Idee: „Wer in unseren Märkten Aushilfe werden will, der kann sich unkomplizi­ert bewerben.“

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FOTO: KAY NIETFELD Markt-Betreiber sagen: Hamsterein­käufe ergeben keinen Sinn.

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