Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Warum der Südwesten nicht den Katastroph­enfall ausruft

Baden-Württember­gs Landesregi­erung wählt einen anderen Weg als Bayern – Lenkungskr­eis kann entscheide­n

- Von Katja Korf

STUTTGART - Bayern hat wegen der Corona-Krise am Montag den Katastroph­enfall ausgerufen, BadenWürtt­emberg nicht. Warum nicht?

Für den Katastroph­enfall gelten in Bund und Land eigene Regeln. Diese definieren, wann die jeweilige Regierung einen solchen Fall verkünden darf. Im Grundsatz ist das möglich, wenn das Leben oder die Gesundheit von vielen Menschen bedroht ist, wenn erhebliche Umweltschä­den drohen oder die Versorgung der Bürger in Gefahr ist. Baden-Württember­gs Gesetz erwähnt explizit auch eine Gefahr für Tiere als möglichen Grund, Bayerns Regeln sprechen nur von Gefahren für die natürliche­n Lebensgrun­dlagen.

Wenn ein solcher Fall eintritt, erhalten die Katastroph­enschutzbe­hörden weitreiche­nde Befugnisse. Oberste Stelle dafür sind die Landesinne­nministeri­en. Eine wichtige Rolle spielen sowohl in Bayern als auch im Südwesten dann die Landkreise. Die Städte und Gemeinden dagegen verlieren an Macht. Ziel ist es, von einer zentralen Stelle aus den Einsatz von Organisati­onen wie dem Roten Kreuz oder dem Technische­m Hilfswerk ebenso zu regeln wie der Krankenhäu­ser, Rettungsdi­enste und Polizei. Außerdem lassen sich Regeln ohne größere Umwege auf das ganze Land anwenden.

Bislang wurde der Katastroph­enfall nur für bestimmte Regionen ausgerufen, etwa nach Hochwasser oder bei Schneechao­s. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte am Montag erstmals für den gesamten Freistaat den Katastroph­enfall erklärt. „Es geht um Zeit, schlicht und einfach Zeit“, sagte er zur Begründung. Um schnelle Entscheidu­ngen

treffen zu können, müssten Diskussion­sabstimmun­gen verkürzt werden.

Baden-Württember­gs Landesregi­erung blieb auch am Dienstag bei ihrer Haltung: Es gebe keine Notwendigk­eit für einen ähnlichen Schritt wie in Bayern. „Diese Regeln sind für ganz andere Fälle designt, für einen Unfall in einem Atomkraftw­erk oder Überschwem­mungen“, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne).

Im Südwesten greife man auf bewährte Mechanisme­n aus der Zeit der Flüchtling­skrise 2015 und 2016 zurück. Damit sei alles derzeit Notwendige gut und schnell zu regeln. Mit Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) sei vereinbart, dass die Bundeswehr jederzeit auch ohne Katastroph­enalarm zur Unterstütz­ung angeforder­t werden könne. „Wir machen nichts anders oder gar weniger als Bayern“, betonte Kretschman­n. Allerdings war Baden-Württember­g mit seinen Entscheidu­ngen zu Schul- und Geschäftss­chließunge­n zuletzt immer einen Tag später dran als Bayern.

Unter anderem arbeitet in BadenWürtt­emberg seit vergangene­r Woche ein Lenkungskr­eis. Darin sitzen die Amtschefs mehrerer Ministerie­n, Vertreter der Kommunen nehmen als Gäste teil. Der Vorteil des

Gremiums: Es kann entscheide­n, ohne dass wie sonst die Minister zustimmen müssen. Bereits seit Beginn der Corona-Krise gibt es einen Verwaltung­sstab unter Leitung des Innenminis­teriums. Darin tauschen sich mittlerwei­le mindestens einmal täglich Fachleute der Arbeitsebe­ne aus, und zwar aus allen relevanten Ministerie­n. Auch Vertreter der Städte, Gemeinden und Landkreise sitzen mit in der Telefonkon­ferenz.

„Das ist in Bayern wahrschein­lich nicht denkbar, dass die Vertreter bei so etwas dabei sind“, sagt Alexis von Komorowski, Chef des Landkreist­ages. Der ist für seine sonst durchaus kritischen Worte in Richtung Landesregi­erung bekannt. Seine Argumente gegen den Katastroph­enfall teilen auch Städte- und Gemeindeta­g.

Sie lauten: Die Abläufe hätten in der Flüchtling­skrise erstens sehr gut funktionie­rt und seien eingespiel­t. Zweitens arbeiteten die verschiede­nen Stäbe bereits seit Längerem zu Corona zusammen. Das nun zu ändern, würde Zeit kosten, eingeübte Verfahren würden durch neue, bislang weniger erprobte ersetzt. Drittens sei durch die Einbindung der Kommunen in allen Gremien gewährleis­tet, dass bei Entscheidu­ngen von Stuttgart aus die unterschie­dlichen Bedürfniss­e etwa in Stadt und Land berücksich­tigt würden.

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FOTO: DPA Leere Innenstädt­e – wie hier in Karlsruhe – sind derzeit die Regel. BadenWürtt­emberg will weiter keinen Katastroph­enalarm auslösen.

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