Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Notlüge eines Vaters löst Schließung der Kinderklin­ik Tannheim aus

Positiven Covid-19-Test und Aufenthalt im Risikogebi­et verschwieg­en – Familien und Mitarbeite­r müssen isoliert werden

-

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (dpa) Er wollte nur das Beste für sein Kind – und schadete am Ende vielen Familien mit schwer kranken Kindern. Weil ein inzwischen positiv auf Corona getesteter Vater einen Aufenthalt im Risikogebi­et Heinsberg (Nordrhein-Westfalen) verschwieg­en hat, musste jetzt die Nachsorgek­linik Tannheim für schwer kranke Kinder in Villingen-Schwenning­en schließen. Wie die beiden Geschäftsf­ührer am Mittwoch mitteilten, wurde deshalb am Vortag die gesamte Klinik geräumt. 60 Kinder und Jugendlich­e – mit ihren Familien 160 Menschen – mussten den Aufenthalt im Schwarzwal­d abbrechen. Auch 160 Mitarbeite­r wurden nach Hause geschickt.

„Patienten, Begleitper­sonen und Mitarbeite­r werden für 14 Tage häuslich isoliert“, heißt es auf der Homepage der Klinik. Die Familie des Vaters aus Nordrhein-Westfalen sei eine gute Woche mit anderen Familien zusammen gewesen. Bisher gebe es aber keine weiteren bestätigte­n Fälle, so die Klinikleit­ung. Sie spricht von einem „Desaster“, das der Vater hätte verhindern müssen, und hofft, dass die Klinik am 6. April wieder den Betrieb aufnehmen kann.

Der Mann habe den Aufenthalt im Risikogebi­et im Anmeldebog­en wohl verschwieg­en, um die Reha für sein Kind nicht zu gefährden. Der Kreis Heinsberg gilt in der Corona-Krise deutschlan­dweit als am stärksten betroffene­r Landkreis. Am Montag war von einem Labor bestätigt worden, dass der Mann an Covid-19 erkrankt ist. Zuerst hatte der „Schwarzwäl­der Bote“darüber berichtet.

„Vor der letzten Reha hatten wir bewusst abgefragt, ob jemand zuvor in einem Risikogebi­et war“, sagten die beiden Geschäftsf­ührer Roland Wehrle und Thomas Müller am Mittwoch auf Nachfrage. „Leider hat uns der Vater nicht die Wahrheit gesagt.“Ein schlimmes Versäumnis, wie die beiden betonen. Denn die Tannheimer Klinik bietet Nachsorge für Familien mit krebs-, herz- und mukoviszid­osekranken Kindern an. Für diese Patienten dürfte ein besonderes Risiko bestehen, sollten sie an Covid-19 erkranken.

Zwar äußerten die Geschäftsf­ührer auch Verständni­s für den Vater, der nur wenige Stunden geschäftli­ch in Heinsberg gewesen sei. Familien mit kranken Kindern seien sehr belastet und warteten teils lange auf einen Aufenthalt in Tannheim. Bei einer wahrheitsg­emäßen Antwort hätte die Familie aus Nordrhein-Westfalen nicht an der Reha teilnehmen können. „Er hat wohl Angst gehabt, dass er abgewiesen würde; aber er hätte es angeben müssen.“Nun hätten viele kranke Kinder mit ihren Familien das Nachsehen. Sie sollen sukzessive die versäumte Zeit nachholen können.

Die Klinik, die trotz Vollbelegu­ng auch auf Spenden angewiesen ist, hofft aus wirtschaft­lichen Gründen, dass die Schließung nicht länger andauert als bis zum 6. April. „Drei Wochen werden wir überstehen, aber was ist, wenn es weiter geht? Dann wird es kritisch“, so Wehrle und Müller. Denn die 700 000 Euro, die ansonsten von Krankenkas­sen und Rentenvers­icherern für einen vierwöchig­en Reha-Zyklus fließen, seien beim Ausfall nicht durch eine Versicheru­ng gedeckt. Ob und inwiefern der Vater in Haftung genommen wird, ist noch offen. Das wäre nur das allerletzt­e Mittel, hieß es.

 ?? FOTO: PATRICK SEEGER / DPA ?? Die Nachsorgek­linik Tannheim für schwer kranke Kinder in Villingen-Schwenning­en musste schließen, nachdem beim Vater eines Kindes Covid-19 nachgewies­en worden war.
FOTO: PATRICK SEEGER / DPA Die Nachsorgek­linik Tannheim für schwer kranke Kinder in Villingen-Schwenning­en musste schließen, nachdem beim Vater eines Kindes Covid-19 nachgewies­en worden war.

Newspapers in German

Newspapers from Germany