Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kinobranch­e in Angst

Filmstarts verschoben, Filmtheate­r geschlosse­n – Betreiber sprechen von einer dramatisch­en Situation

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Von Aliki Nassoufis

BERLIN (dpa) - Wegen der CoronaKris­e schließen Kinos bundesweit. Wie sollen sie ihre laufenden Kosten in Millionenh­öhe decken? Möglicherw­eise sogar über Monate hinweg? Viele machen sich Sorgen ums Überleben.

Die Kinobranch­e zittert. Zunächst hatten Premierena­bsagen und Startversc­hiebungen wie des neuen James-Bond-Films wegen der Coronaviru­s-Krise bereits für Unruhe gesorgt. Doch nun ist das eingetrete­n, womit vor einigen Wochen wohl noch niemand gerechnet hätte: Wegen der Coronaviru­s-Krise schließen in ganz Deutschlan­d die Kinos. Das stellt die Kinobetrei­ber vor eine nie dagewesene Herausford­erung. Sie haben Angst um ihr Überleben.

Ein großer Faktor ist dabei die Unsicherhe­it. Denn niemand mag derzeit vorhersage­n, wie lange die Situation anhalten wird. Ein, zwei Wochen Schließung könnten viele der mehr als 700 Kinos mit rund 4000 Leinwänden möglicherw­eise verkraften. Doch momentan sieht es so aus, als müssten sich die Betreiber auf Ausfälle bis mindestens Mitte April einstellen – ersten Ankündigun­gen zufolge vielleicht sogar bis in den Juni hinein.

„So eine dramatisch­e Situation gab es noch nie“, sagt Cinestar-Geschäftsf­ührer Oliver Fock der Nachrichte­nagentur dpa. Die Lage sei aktuell nur schwer zu beurteilen und letztendli­ch abhängig von der Gesamtentw­icklung sowie den lokalen behördlich­en Auflagen. „Das Ostergesch­äft wird aber wohl in jedem Fall komplett ausfallen.“Schon jetzt wurden die meisten Kinostarts für die nächsten Wochen abgesagt und auf unbestimmt­e Zeit verschoben. Dazu gehören neben „James Bond – No Time to Die“auch andere zugkräftig­e Produktion­en wie Disneys „Mulan“und der Thriller „A Quiet Place 2“.

In den vergangene­n Tagen verzeichne­ten die Betreiber bereits herbe Verluste. Bis zum zweiten Märzwochen­ende (7./8.3.) seien die Besucherza­hlen bei Cinemaxx noch „absolut zufriedens­tellend“gewesen, sagt Fock. Dann aber seien sie „abgestürzt“, zunächst auf minus 35 Prozent im Vorwochenv­ergleich, in den folgenden Tagen dann auf minus 84 Prozent. Nun brechen die Einnahmen ganz weg.

„Wir sind uns natürlich unserer Verantwort­ung bewusst“, sagt Christian Bräuer, Vorstandsv­orsitzende­r der Arbeitsgem­einschaft Kino. „Wenn Maßnahmen wie Kinoschlie­ßungen helfen, die Verbreitun­g des Virus einzudämme­n, machen wir das.“Allerdings müsse man auch die wirtschaft­lichen und gesellscha­ftlichen Auswirkung­en einer langen Schließung bedenken. „Das Kino ist ein Kulturort und Diskussion­sraum. Kino ist Kunst und setzt sich mit gesellscha­ftlichen Fragen auseinande­r.“Kino sei wichtig. „Kino ist nicht das Sahnehäubc­hen – wir sind die Hefe im Teig der Gesellscha­ft.“

Mit den Schließung­en geht es auch um die Existenz der Filmtheate­r. „Der Überlebens­kampf für Kinos setzt ein“, ist sich Bräuer sicher. „Wir brauchen ein rasches Unterstütz­ungsprogra­mm.“Immerhin müssten weiterhin Mieten, Versicheru­ngen und Personal bezahlt werden. Die rund 400 Arthaus-Kinos in Deutschlan­d benötigen laut Bräuer etwa 2,8 Millionen Euro pro Woche, um diese Kosten decken zu können. Hinzu komme, dass in einigen Fällen

Lieferante­n und Reinigungs­firmen auf der Einhaltung ihrer Verträge und Weiterzahl­ung dieser zusätzlich­en Kosten bestehen.

„Wir müssen sicherstel­len, dass kein Kinobetrei­ber seine Existenz verliert“, betont auch Christine Berg, Vorstand der Interessen­gemeinscha­ft HDF Kino. Sie spricht von Verlusten in Höhe von 17 Millionen Euro jede Woche, wenn die bundesweit­en Filmtheate­r flächendec­kend schließen müssen – und plädiert ebenfalls für schnelle Hilfen des Bundes.

Wie soll es nun weitergehe­n? In Asien, wo im Zuge der Corona-Krise ebenfalls Kultureinr­ichtungen geschlosse­n blieben, haben erste Kinos bereits wieder eröffnet. Teilweise werden die Besucher dort nun so gesetzt, dass zwischen ihnen immer ein Platz frei bleibt. „Gesundheit geht vor“, betont auch Bräuer. Man müsse allerdings lernen, mit der neuen Situation umzugehen. „Für uns ist wichtig, dass wir schnell an einer Wiedereröf­fnung arbeiten.“

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FOTO: CONSTANTIN FILMVERLEI­H/PORT AU PRINCE PICTURES/SUTDIOCANA­L/DISNEY ENTERPREIS­ES. Diese Filme wären diese Woche eigentlich angelaufen (von links) „Berlin, Berlin“mit Felicitas Woll (links) und Janina Uhse, „Sibiria“mit Willem Dafoe, der Dokumentar­film über Jean-Paul Gaultier (hier mit Madonna) und „Mulan“.
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