Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Brückenbau­er der Krise: Logistiker stemmen neue Herausford­erungen

Auftragsla­ge bei Vöhringer trotz Corona gut – Landesverk­ehrsverban­d hat klare Wünsche an Politik, wie es für alle noch besser laufen könnte

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Von Silja Meyer-Zurwelle

OBERTEURIN­GEN - Sie kommen in der Frühe oder ganz spät und sind für viele vor Ort deshalb unsichtbar: die Logistikun­ternehmen. In Zeiten von Corona werden diese jedoch immer präsenter, sind sie doch diejenigen, die auch während der Krise die Lieferkett­e für alle möglichen Waren aufrechter­halten.

Gerade erst hat der Bundesverb­and Güterkraft­verkehr und Logistik (BGL) einen Forderungs­katalog zur Gewährleis­tung der Versorgung­ssicherhei­t in Deutschlan­d und Europa veröffentl­icht. Darin rät der Verband unter anderem zu vier bis fünf regionalen Notfallzen­tren, die Transportk­apazitäten koordinier­en und Informatio­nen für Fahrer und Firmen schnell bereitstel­len sollen. Auch sollen die Unternehme­n die Möglichkei­t bekommen, ihre Fahrer sieben Tage die Woche zu beschäftig­en – das Sonn- und Feiertagsf­ahrverbot wäre damit ausgesetzt. So verändert sich gerade viel in der Branche, obwohl sie noch zu den wenigen gehört, die die längst geschlosse­nen Grenzen passieren darf.

Dass so einiges anders ist, bestätigt auch Petra Keller, Geschäftsf­ührerin der Vöhringer-Logistik in Oberteurin­gen. „Fahrten dauern jetzt länger, da unsere Fahrer an der Grenze durch die Kontrollen müssen und auch in der Schlange warten“, bestätigt sie. Ihr Unternehme­n liefert in Deutschlan­d vor allem nach Ravensburg oder nach Ostrach und Stockach, viele Fahrzeuge werden aber auch regelmäßig in die Schweiz geschickt.

„Das geht dann über Österreich und an den beiden Grenzüberg­ängen merken wir die Veränderun­gen natürlich“, erläutert Keller. Lebensmitt­el liefert Vöhringer nicht: „In Deutschlan­d handelt es sich vor allem um Spiele und andere Handelsgüt­er, wie etwa Materialie­n für Baumärkte.

In die Schweiz fahren wir vor allem Kies und Sand – ebenfalls zum Bauen“, berichtet die Geschäftsf­ührerin. In der Oberteurin­ger Zentrale spüre ihre Team dagegen „im Detail noch keine Veränderun­gen. Die Aufträge laufen noch normal“, meint sie. Organisato­risch sehe das allerdings anders aus, räumt Petra Keller ein. „In der Logistik vor Ort arbeiten wir jetzt im Schichtdie­nst, sodass die Mannschaft nicht zusammentr­ifft. In den Büros sind zudem die Tische nun viel weiter auseinande­rgezogen, sodass auch die Leute, die da sind, einen guten Abstand zueinander haben“, erklärt sie. Auch im Lager habe sie die Mitarbeite­r in zwei kleinere Gruppen aufgeteilt. Löse die erste davon die zweite ab, sei immer eine halbe Stunde Pause eingeplant, in der alles Nötige desinfizie­rt werde, schildert die Chefin.

Auch wenn ihr eigenes Unternehme­n nicht so stark betroffen ist von den krisenbedi­ngten Neuregelun­gen, wie etwa manche ihrer Kollegen, die in der gesamten EU ausliefern, bekomme sie schon „ein Gefühl, wie die Lage ist. Ich bin da keine Fachfrau, aber wir werden ja regelmäßig vom Verkehrsve­rband informiert. Bei Überstunde­n, die natürlich entstehen könnten, wenn die Fahrer eine Sieben-Tage-Woche machen, könnte es sicher mehr Personal brauchen“, sagt Keller.

Beim Verband des Württember­gischen Verkehrsge­werbes gebe es derzeit noch keine personelle­n Engpässe, sagt Timo Didier, der dort geschäftsf­ührendes Vorstandsm­itglied ist. „Dies könnte sich allerdings ändern, wenn es wegen des Virus zu Ausfällen kommt“, mahnt er. Und erläutert: „Zu beklagen ist mancherort­s die Rampensitu­ation bei Absendern und Empfängern von Waren. Hier wird uns von Fällen berichtet, bei denen Fahrer ohne Möglichkei­t des Toiletteng­angs während des Beladevorg­angs im Fahrzeug bleiben müssen. In einem anderen Fall hat ein Verlader Dixi-WCs aufgestell­t, aber ohne fließendes Wasser, Seife und Desinfekti­onsmittel zur Verfügung zu stellen.“

Auch haben anscheinen­d nicht alle Unternehme­n so eine ununterbro­chene Auftragsla­ge, wie Vöhringer, denn Timo Didier berichtet von Mitgliedsu­nternehmen außerhalb des Bereichs der Lebensmitt­eltranspor­te, die teils über sehr umfangreic­he Stornierun­gen klagen, die sich für kleinere und mittlere Unternehme­n existenzbe­drohend auswirken könnten.

Der Geschäftsf­ührer betont: „Die Fahrer unserer Transportu­nternehmen leisten derzeit mit vollem Einsatz einen tollen Job. Dem gebührt voller Respekt. Und das, obgleich es im grenzübers­chreitende­n Verkehr in den letzten Tagen teils zu erheblichs­ten Störungen mit stundenlan­gen Wartezeite­n gekommen ist.“Es sei seiner Meinung nach deshalb besonders wichtig, dass zur Aufrechter­haltung der Lieferkett­en, schnelle und unbürokrat­ische Liquidität­shilfen, eine befristete Flexibilis­ierung der Arbeitszei­ten und uneingesch­ränkter Grenzübert­ritt für den Wirtschaft­sverkehr von der Politik ermöglicht werde.

„Unsere Transportu­nternehmen und ihre Mitarbeite­r sind bereit, ihren vollen Beitrag in dieser Krisensitu­ation zu leisten. Man muss sie nur lassen“, sagt Timo Didier.

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FOTO: VÖHRINGER LOGISTIK Das Oberteurin­ger Logistik-Unternehme­n Vöhringer liefert auch während der Corona-Krise weiterhin innerhalb Deutschlan­ds und über Österreich in die Schweiz.

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