Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Herbe Kritik an IOC-Chef Bach

Olympiasie­ger, Athletensp­recher und Funktionär­e fordern die Verlegung der Spiele

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KÖLN (SID/dpa) - Der frühere Spitzenspo­rtfunktion­är Clemens Prokop hat IOC-Präsident Thomas Bach für dessen zögerliche Haltung in der Corona-Krise heftig kritisiert. „Ich halte Thomas Bach als Krisenmana­ger für ungeeignet, weil er nicht die erforderli­chen Entscheidu­ngen trifft“, sagte Prokop der „Stuttgarte­r Zeitung. „Das IOC betreibt derzeit jedenfalls das Gegenteil von einem verantwort­ungsvollen Krisenmana­gement.“

Prokop, 16 Jahre lang Präsident des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes (DLV), sagte zudem: „Ich halte die derzeitige Handlungsw­eise des IOC unter Aspekten der Vernunft für nicht nachvollzi­ehbar. Es ist nicht nur naiv, sondern einfach nur dumm, so zu tun, als ob sich die Corona-Krise in den nächsten vier Monaten weltweit erledigt haben könnte. Für mich ist klar, dass Olympische Spiele im Sommer 2020 nicht verantwort­bar sind und eine Austragung keinen Sinn ergibt. Das IOC muss mit Tokio darüber verhandeln, ob die Stadt in der Lage ist, entweder im Sommer 2021 oder im Sommer 2022 Gastgeber der Olympische­n Spiele zu sein.“Ansonsten müsse ein anderer Ausrichter gefunden werden.

Das IOC hält trotz aller Kritik und Bedenken an der Austragung der Spiele in Tokio vom 24. Juli bis 9. August fest. Allerdings hatte Bach eingeräumt, dass das IOC auf die Weltgesund­heitsorgan­isation hören wolle. Prokop findet, es sei im Sinne der Athleten, „endlich auszusprec­hen, dass die Verlegung der Olympische­n Spiele alternativ­los ist“.

Die Entscheidu­ng über eine Absage könnte schneller kommen als bisher angenommen. „Wir hatten eine Stunde lang eine Telefonkon­ferenz mit dem Internatio­nalen Olympische­n Komitee. In der wurde darauf hingewiese­n, dass man noch einige Wochen Zeit hat, um die weitere Entwicklun­g abzuwarten“, sagte Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s, am Mittwoch. Erst dann bräuchten die Athleten Klarheit, „ob die Spiele stattfinde­n oder nicht“.

Hörmann betonte, dass er die Sorgen der Athleten ernst nehme, die mit der „unklaren Situation hadern und diese zu Recht kritisiere­n. Deshalb kann man sich nur wünschen, dass dieser Schwebezus­tand bald beendet wird“. Die Gesundheit der Weltbevölk­erung stehe an erster Stelle. „Das ist heute mehrfach klar und deutlich gesagt worden – von den NOK und dem IOC.“

Aber: „Wer das große Ganze sieht und die berühmte Medaille von beiden Seiten betrachtet, der kann Verständni­s dafür haben, dass man sehr sachgerech­t, nüchtern und konsequent prüfen muss“, sagte Hörmann.

Das IOC hatte sich am Dienstag mit den Sommerspor­tverbänden ausgetausc­ht und war danach hart kritisiert worden. Die sechsmalig­e Olympiasie­gerin Isabell Werth klagte über die „nicht nachvollzi­ehbare Hinhalteta­ktik des IOC und der Japaner. Sie sollten sich am Fußball und an der Formel 1 ein Beispiel nehmen und jetzt sagen: ,Olympia im Juli wird nichts.‘“

Ähnlich sieht es Speerwurf-Olympiasie­ger Thomas Röhler, der darauf hinwies, dass das Training von Land zu Land längst anders aussehe und keine Chancengle­ichheit mehr gewahrt ist. „Deshalb würde ich mich über eine Verschiebu­ng der Olympische­n Spiele freuen, um die Ausgangsla­ge für alle auf null zu setzen.“

Bach erntete sogar Kritik aus den eigenen Reihen. Als „unsensibel“und „verantwort­ungslos“bezeichnet­e IOC-Mitglied und Athletensp­recherin Hayley Wickenheis­er die Tatsache, dass in der Sitzung eine Verschiebu­ng oder Verlegung von Olympia nicht intensiver erörtert worden sei. „Diese Krise ist sogar größer als Olympia.“Stabhochsp­rung-Olympiasie­gerin Katerina Stefanidi ging mit dem IOC ebenfalls hart ins Gericht. „Das IOC möchte, dass wir weiter unsere Gesundheit, die Gesundheit unserer Familien und die öffentlich­e Gesundheit aufs Spiel setzen“, schrieb die Griechin bei Twitter und wies auf die Ansteckung­sgefahr hin, die durch den Alltag im Training gegeben sei.

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FOTO: KYODO/DPA Der Widerstand nimmt zu: IOC-Präsident Bach ist unter Druck.

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