Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Busunternehmen im Überlebenskampf
Land und Verbände arbeiten wegen der Corona-Krise an Ausgleich für Schüler-Abos
Von Ulrich Mendelin
RAVENSBURG - Die Corona-Krise stellt auch die privaten Nahverkehrsunternehmen in Baden-Württemberg vor existenzielle Probleme. Das Land will gegensteuern, damit die Branche nicht kollabiert.
Die Busunternehmen im Land stehen vor einer „großen Herausforderung“, so Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Montag. Sie müssten mit sinkenden Fahrgastzahlen und wegbrechenden Einnahmen umgehen, sollten aber gleichzeitig eine Grundversorgung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) gewährleisten. Witgar Weber, Geschäftsführer des Verbandes der Baden-Württembergischen Omnibusunternehmer, ist sich sogar sicher: „Das eine oder andere Unternehmen wird die Krise nicht überleben.“Es gehe nun aber darum, das Überleben des Verbundsystems in Baden-Württemberg zu sichern.
400 private Busunternehmen gibt es im Land, die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind eine wesentliche Stütze des Nahverkehrs. Auf dem Land, etwa in Oberschwaben oder auf der Alb, erbringen sie Leistungen meist im sogenannten eigenwirtschaftlichen Verkehr – das heißt, sie erhalten keine Zuschüsse der öffentlichen Hand. Stattdessen bekommen sie das Geld aus Ticket- und Aboverkäufen. Doch das ist derzeit ein Problem – so können seit voriger Woche keine Tickets mehr im Bus gekauft werden um die Busfahrer vor Infektionen zu schützen; Fahrgäste dürfen nur durch die hinteren Türen einund aussteigen. „Seit einer Woche haben wir keine Bareinnahmen mehr“, beklagt Bernd Grabherr, Geschäftsführer des Regionalverkehrs Bodensee-Oberschwaben (RBO), in dem die privaten Busunternehmer im Bereich des Verkehrsverbunds Bodo zusammengeschlossen sind. „Wenn jetzt noch die Zeitkarten wegbrechen, wäre das der Super-GAU.“
Die Zeitkarten bringen den Busfirmen den Löwenanteil ihrer Einnahmen – vor allem die Schülertickets. Das Problem: Da der Unterricht bis mindestens zu den Osterferien ausfällt, drohen Abokündigungen. Die will Verkehrsminister Hermann verhindern. Eine Arbeitsgruppe aus Ministerien, Kommunalverbänden und Busunternehmen soll Lösungen erarbeiten. „Es müsste erreicht werden, dass die Landkreise von den Eltern die Abobeiträge nicht einziehen, solange keine Schule stattfindet, damit die Eltern keinen Anlass zur Kündigung
des Abos haben“, sagt Hermann. Für die Eltern geht es um einen monatlichen Betrag von 20 bis 35 Euro.
Gefragt wären demnach die Landkreise – die zögern aber noch, in die Bresche zu springen. „Wir haben die Erwartung, dass es eine Gesamtlösung für alle Branchen gibt, nicht nur für den ÖPNV“, sagt Nathalie Münz, stellvertretende Geschäftsführerin des baden-württembergischen Landkreistags, der „Schwäbischen Zeitung“. Schließlich würden auch in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge Verträge weiterlaufen – etwa bei Kitas, in der Tages- und Kurzzeitpflege oder auch bei Jugendhilfeeinrichtungen. „Da sollte man nicht eine Branche bevorzugen.“Die Landkreise würden sich in der Verantwortung sehen, so Münz – aber nicht alleine. „Liquiditätshilfen und Rettungsschirme sind keine Sache primär der Kommunen.“
Was ein Wegbrechen der SchülerAbos etwa in Oberschwaben bedeuten würde, verdeutlicht RBO-Geschäftsführer Grabherr: „Wenn die kündigen, dann fehlen im Verkehrsverbund Bodo innerhalb von zwei Monaten 1,5 Millionen Euro. Das Geld würde dann auch für die Aufrechterhaltung eines Notfallfahrplans fehlen.“Denn auch wenn der Busverkehr seit Montag ausgedünnt wurde und landesweit ein Fahrplan wie in den Schulferien gilt: Die Fixkosten reduzieren sich für die Unternehmen nicht in gleichem Maße.
Wie alle anderen Branchen auch, können Verkehrsunternehmen auf die Nothilfeprogramme des Landes und des Bundes zurückgreifen. Dort, wo das Land direkt zuständig ist, gibt es eine weitere Unterstützungsmaßnahme. Die Verkehrsleistungen, die das Land selbst bestellt hat, bezahlt es voll weiter, auch wenn die Fahrpläne inzwischen um etwa 40 Prozent ausgedünnt sind. Das betrifft vor allem den Schienennahverkehr, aber auch die vom Land geförderten Regiobusse. Die Betreiber sollen so entlastet werden. Die Kommunalverbände bittet Hermann, sie mögen sich „analog verhalten“– eine Lösung gibt es hier aber noch nicht.
Nahverkehrszüge im Land sollen nicht verkürzt werden. Dies soll es den Passagieren ermöglichen, genügend Abstand zu halten. „In der Summe fahren wir jetzt viele leere Sitze durch die Gegend“, so Hermann. Der Verkehrsminister ruft Bahnfahrer dazu auf, wann immer möglich nicht zu den Stoßzeiten in den Zug zu steigen und immer zu überlegen, ob Fahrten wirklich nötig sind.