Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Trotz Corona: Kressbronns Bürgermeister will tagen
Gemeinderatssitzung soll Handlungsfähigkeit sichern – Grünen-Fraktionsvorsitzende nimmt nicht teil
Von Tanja Poimer
KRESSBRONN - Kommunalpolitik in der Corona-Krise: Während die Gemeinderatssitzungen zum Beispiel in Langenargen und Eriskirch abgesagt sind, will Kressbronns Bürgermeister nach wie vor am Mittwoch, 25. März, ab 16 Uhr tagen. Seine Begründung: „Mir ist es wichtig, dass die Gemeinde gerade in diesen Zeiten handlungsfähig bleibt.“GrünenFraktionschefin Silvia Queri hält ein persönliches Treffen dagegen aus epidemiologischer Sicht für „völlig unsinnig“und will nicht teilnehmen.
Ob die Sitzung tatsächlich stattfindet, entscheidet sich noch. Daniel Enzensperger wartet auf weitere Rückmeldungen: „Es bringt nichts, wenn ich die Sitzung ansetze, und der Rat blockiert dann.“In Kressbronn sind die Gremien bislang planmäßig zusammengekommen, zuletzt am vergangenen Donnerstag der Tourismusbeirat.
„Handlungsfähigkeit“ist das Schlüsselwort, das den Bürgermeister offenbar antreibt. Um für ausreichend Sicherheitsabstand zu sorgen, sei die Gemeinderatssitzung in die Festhalle verlegt worden. Daniel Enzensperger: „Ich halte dies für vertretbar.“Außerdem hätten Landesregierung und Bundeskanzlerin ausdrücklich klargestellt, dass Gremiensitzungen weiterhin zulässig sind. „Dies hätten sie nicht getan, wenn sie es nicht für wichtig halten würden.“
Der Gemeinderat sei Hauptorgan der Gemeinde, und es sei nicht klar, wie lange diese Situation dauern werde, teilt der Bürgermeister weiter mit. „Es wird in vielen Bereichen weitergearbeitet, weil es dort keine Ansteckungsgefahren gibt oder diese sehr gering sind, zum Beispiel Straßenbaustellen. Gerade jetzt kommt es auch darauf an, dass wir unsere Aufträge vergeben und die Wirtschaft nicht im Stich lassen.“
Wegen des Öffentlichkeitsgrundsatzes könnten Entscheidungen beispielsweise nicht per Videokonferenz getroffen werden. Daniel Enzensperger: „Es gäbe zwar auch die Möglichkeit als Bürgermeister Eilentscheidungen zu treffen, aber dieses Mittel kommt aus meiner Sicht bei vielen zu treffenden Entscheidungen nicht wirklich in Betracht und entspricht daher auch nicht meinem Demokratieverständnis.“
Die Themen, die beraten werden sollen, seien nicht so wichtig, dass sich die Gemeinderäte persönlich treffen müssten, stellt Silvia Queri,
Fraktionsvorsitzende der Grünen, bereits am Freitag auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“fest. Eilige Entscheidungen könnten in Abstimmung mit den Fraktionen in sogenannten Umlaufbeschlüssen getroffen, Diskussionen per Videokonferenzen geführt werden. Aus epidemiologischer Sicht wäre eine Sitzung Silvia Queri zufolge „völlig unsinnig“– und: „Ich werde nicht hingehen.“
Als der Termin angesetzt wurde, sei das völlig in Ordnung gewesen, ist CDU-Fraktionschef Karl Bentele überzeugt. Inzwischen sei jedoch eine gewisse Dramaturgie in der Corona-Entwicklung zu erkennen: „Ich denke, dass wir maximal noch diese Sitzung so machen können. Das öffentliche Leben steht nicht still, und es ist gut, wenn wir dieses Signal senden. Aber wir müssen die Entwicklung
ernst nehmen.“Der Gemeinderat müsse überlegen, wie es weitergehen soll, was mit Umlaufbeschlüssen erledigt und was verschoben werden kann, fordert Karl Bentele.
Noch vor einer Woche war sich Stefan Fehringer, Fraktionsvorsitzender der Bürgerlichen Wählervereinigung (BWV), sicher, dass die Gemeinderatssitzung stattfinden soll. Die Handlungsfähigkeit der Gemeinde
zu erhalten, spreche auf der einen Seite nach wie vor dafür. Andererseits sehe er auch die Vorbildfunktion, die er als Mitarbeiter der Stadt Friedrichshafen habe, und frage sich, wie es um die Außenwirkung steht, wenn sich das Kressbronner Gremium trifft. Stefan Fehringer: „Ich würde an der Sitzung in der Festhalle teilnehmen, bin aber sensibilisiert.“
Ähnlich geht es Martin Kolb von der SPD, der grundsätzlich beim Bürgermeister ist, wenn es um die Handlungsfähigkeit geht. Jedoch sei er flexibel, in welcher Form die Entscheidungen getroffen werden: „Bei vielen Themen sind Umlaufbeschlüsse möglich. Wenn allerdings Diskussionen notwendig sind, ziehe ich Videokonferenzen vor. Wir müssen auf die Entwicklung reagieren.“
Dass in Kressbronn noch getagt wird, sei angesichts der dramatischen Entwicklung der Corona-Epidemie erstaunlich, teilt GUBB-Gemeinderätin Martina-Knappert-Hiese mit. „Wir fragen uns: Setzt der Bürgermeister die Gesundheit der Gremienmitglieder wegen aufschiebbarer Diskussionen und Entschlüsse leichtfertig aufs Spiel? Warum also soll die Gemeinderatssitzung unbedingt stattfinden?“