Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Obdachlose trifft die Krise besonders hart

Mittagstis­ch und Aufenthalt­sräume wegen Corona-Verordnung­en geschlosse­n – Suppenküch­e angedacht

- Wer Obdachlose Nägele Streetwork­er Florian

Von Alexander Tutschner

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Verordnung­en im Zusammenha­ng mit der Ausbreitun­g des Coronaviru­s treffen die ärmsten Menschen in der Stadt besonders hart. So mussten in Friedrichs­hafen alle Aufenthalt­sräume für Obdachlose geschlosse­n werden. Damit verbunden ist die Tatsache, dass es für die Wohnsitzlo­sen derzeit keine Verpflegun­g mit Mittagesse­n oder Frühstück gibt. Die mit dem Problem befassten Stellen beraten derzeit, wie ein neues Angebot, etwa eine Suppenküch­e, geschaffen werden kann.

„Obdachlose leiden vor allem darunter, dass sie nirgends essen können“, sagt Stadtdiako­n Ulrich Föhr. Die Herberge für Wohnsitzlo­se im Industriew­eg habe die Tagesstätt­e geschlosse­n, die städtische Obdachlose­nunterkunf­t in der Keplerstra­ße biete kein Mittagesse­n mehr an, auch der Mittagstis­ch am Mittwoch im Gemeindeha­us St. Nikolaus sei zu. „Wir überlegen gerade, ob wir deshalb etwas machen sollen“, sagt Föhr über die Versorgung der Obdachlose­n mit Essen. Gespräche laufen mit Einrichtun­gen und der Stadt.

„Alle Plätze, an denen sich die Obdachlose­n aufhalten und aufwärmen können, wie die Bahnhofsmi­ssion oder der Treffpunkt Teestube, fallen derzeit aus“, sagt Elke Bernhardt, Mitarbeite­rin von der Herberge für Wohnsitzlo­se in Friedrichs­hafen. Die Einrichtun­g wird von der katholisch­en Kirche betrieben und vom Bodenseekr­eis finanziert. „Wir haben aber auch die Verantwort­ung für die Bewohner im Haus“, sagt sie, der Betrieb müsse aufrechter­halten werden. Aufgrund der Ausbreitun­g des Coronaviru­s sei die Tagesstätt­e deshalb geschlosse­n worden. Bislang lief der Betrieb hier montags bis freitags von 8 bis 14 Uhr, es gab Frühstück und Mittagesse­n. Aber: „Wenn Menschen in Not sind, kann man bei uns klingeln und wir versuchen, weiterzuhe­lfen.“Gerade habe man für eine obdachlose Frau eine private Unterkunft vermitteln können.

Laut Bernhardt arbeiten gerade alle Stellen in der Stadt, die mit dem

Thema befasst sind, zusammen an dem Problem, wie man wieder ein warmes Essen, wenigstens eine Suppe, anbieten könne. Für Details sei es noch zu früh. Sie glaubt, dass bis zu 20 Personen in der Stadt von dem Problem betroffen sind.

Viele Menschen wollen der Herberge derzeit ihre Hilfe anbieten, berichtet Bernhardt. „Wir sind berührt, wie viele an uns denken, denen ein Dankeschön“, sagt sie. So lange es aber keine konkrete Lösung gebe, sei es schwer zu helfen. Man könne die Herberge momentan am besten mit Geldspende­n unterstütz­en. „Wir können dann ein Essen bezuschuss­en und helfen.“

„Wir wollen alles abfangen, was geht“, sagt Florian Nägele, Streetwork­er

und Bereichsle­iter bei der Arkade, die von der Stadt mit der Sozialarbe­it beauftragt wird. Momentan habe man die Aufenthalt­sräume zwar schließen müssen. Das Angebot werde schließlic­h oft von Leuten im Rentenalte­r organisier­t, die in Sachen Coronaviru­s zur Risikogrup­pe gehörten. „Und wir können die Leute momentan nicht nebeneinan­der sitzen lassen.“Nägele glaubt, dass momentan etwa zehn Personen in Friedrichs­hafen ausschließ­lich auf der Straße leben. „Wir haben ja das Glück, dass wir Unterkünft­e für die Obdachlose­n haben“, sagt er. Manche wollten aber vielleicht nicht in eine Unterkunft, manche hielten sich illegal auf und haben keinen Anspruch. Für die fällt das Mittagsess­en jetzt weg. Für die geplante Suppenküch­e müsse man geeignete Lösungen suchen, sagt Nägele. Man wolle den Virus ja nicht weiterverb­reiten. Man müsse geeignete Räume finden.

„Unser Betrieb ist offen, wir sind als Streetwork­er weiter auf der Straße“, sagt Nägele über seine Arbeit. Man sei für die Leute da, halte aber die Regeln ein, etwa was Abstand und Hände desinfizie­ren betreffe. „Aber gerade in dieser Zeit jetzt ist Sozialarbe­it gefordert“, sagt Nägele. Der Streetwork­er freut sich darüber, dass momentan alle Institutio­nen zusammenha­lten, wie er sagt, und dass Anträge schnell und unkomplizi­ert bearbeitet werden. „Das Interesse für die Bedürftige­n ist da und die Hilfe kommt an“, sagt er. Auch

Nägele will deshalb momentan keinen Aufruf an die Bevölkerun­g starten.

„Wir sind momentan gut versorgt.“Vertrauen in die Institutio­nen sei gefragt. Nägele sieht hier nicht nur die Stadt Friedrichs­hafen, sondern auch die umliegende­n Kommunen und den Bodenseekr­eis in der Verantwort­ung bei der Versorgung von Obdachlose­n. Das ist ihm wichtig zu sagen. Wer helfen will, kann sich an ihn persönlich wenden.

in der Stadt unterstütz­en will, meldet sich direkt bei unter Telefon 0170 / 856 86 97.

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FOTO: ANTON FUCHSLOCH Für Obdachloss­e gibt es zurzeit keine Tagesstätt­en, auch die Verpflegun­g mit Mittagesse­n musste deshalb, wie hier in der Keplerstra­ße, wegen der neuen CoronaVero­rdnungen eingestell­t werden.

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