Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Aus den Augen heißt nicht aus dem Sinn
Auch in Corona-Zeiten bleiben die Mitarbeiter der Teestube mit den Kunden in Kontakt
Von Brigitte Geiselhart
FRIEDRICHSHAFEN (sz) - Eigentlich ist hier immer was los. Normalerweise herrscht in diesen Räumlichkeiten das ganze Jahr über eine ganz besondere, in gewisser Weise sogar meditative Atmosphäre. Viele der Menschen, die regelmäßig in die Häfler Teestube kommen, sind größtenteils Stammkunden. Man kennt sich, man schätzt sich. Für wenig Geld genießt man seine Tasse Kaffee, lässt sich vielleicht das eine oder andere belegte Brot schmecken. Manch einer ist gerade in der kalten Jahreszeit froh, sich auch ein wenig aufwärmen zu dürfen. Vor allem aber gibt es in der Teestube immer viel zu reden. Gerne über Gott und die Welt. Und man darf sich geborgen fühlen und spüren, dass man nicht alleine ist.
Doch jetzt ist alles anders. Die Teestube an der Ecke Allmand-/Keplerstraße ist in Corona-Zeiten geschlossen. Keine Gäste, keine ehrenamtlichen Helfer. Aus den Augen, aus dem Sinn? „Nein“, sagt Jürgen
Kegelmann. „Gerade in diesen schwierigen Tagen und Wochen wollen wir den Kontakt zu unseren Gästen weiterhin aufrechterhalten. Vielfach kennt man sich ja seit Jahren“, betont er.
Der 55-jährige Häfler ist Professor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl und seit sieben Jahren Vorsitzender des TeestubenFördervereins. Durch den gegenseitigen Austausch der Handy-Nummern habe man die Chance, regelmäßig miteinander zu telefonieren und könne bei eventuellen Sorgen und Problemen der Klienten für Gespräche zur Verfügung stehen. „Wir wollen weiterhin für die Menschen in Not da sein“, so die Botschaft von Jürgen Kegelmann, seinen Vorstandskollegen und dem gesamten Mitarbeiterteam. Für viele der Teestubengäste sei nach wie vor Schwester Baptista Ebenhoch wichtigster „Sensor“und Ansprechpartner. Dem unermüdlichen Engagement der Franziskanerin war es zu verdanken, dass die Teestube Friedrichshafen
im Dezember 2005 in einem ehemaligen Ladenlokal als Treffpunkt für arme, einsame, alte oder obdachlose Menschen gegründet werden konnte. Die wohltätige und überkonfessionelle Einrichtung wird seither durch den Förderverein, durch katholische und evangelische Kirche sowie die Stadt Friedrichshafen getragen.
Zur Überbrückung der jetzigen leidlichen Situation könne man sich eventuell auch eine „virtuelle Teestube“vorstellen, um etwa über Skype gemeinsam zu plaudern, so ein weiterer Ansatzpunkt des Fördervereins. „Als erstes wollen wir jetzt daran gehen, eine Homepage aufzubauen und dadurch verschiedene Interaktionen ermöglichen“, sagt Jürgen Kegelmann. Sein Blick bleibt trotz der aktuellen Krise optimistisch und nach vorne gerichtet. Das 15-jährige Jubiläum der Häfler Teestube im Herbst dieses Jahres mit einem „Tag der offenen Tür“feiern zu können, diese Hoffnung will er sich in jedem Fall nicht nehmen lassen.