Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Trauer soll Lebende nicht in Gefahr bringen

Bestattung­en sind aktuell nur im kleinsten Kreis erlaubt – Höchstens zehn Teilnehmer müssen Abstand wahren

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Von Barbara Baur

FRIEDRICHS­HAFEN - Trauer in Zeiten von Corona: Das Versammlun­gsverbot, das die Landesregi­erung aufgrund der Ausbreitun­g des Coronaviru­s erlassen hat, verändert auch die Art und Weise, wie Menschen von ihren Verstorben­en Abschied nehmen können. Zusammenkü­nfte auf dem Friedhof sind zwar noch erlaubt, doch sie sind laut einer Verordnung des Kultusmini­steriums an zwei Bedingunge­n geknüpft: Die Feiern müssen unter freiem Himmel stattfinde­n und es dürfen nicht mehr als zehn Menschen teilnehmen.

„In Moment gilt leider auch hier: Abstand ist Ausdruck von Fürsorge. Auch bei Trauerfeie­rn müssen die Regeln des Infektions­schutzes eingehalte­n werden“, teilt die Pressestel­le der Stadt Friedrichs­hafen auf Anfrage mit. Das bedeutet, dass die maximal zehn Gäste Abstand zueinander halten müssen. Händeschüt­teln oder Umarmungen sind nicht mehr gestattet. Friedhofsm­itarbeiter und Bestatter werden laut der Verordnung dem engsten Kreis nicht zugeordnet. Konkret heißt das, dass sie so arbeiten müssen, dass sie mit der Trauergeme­inde nicht in Kontakt treten.

„Die Angehörige­n reagieren verständni­svoll“, sagt Christine WickerWebe­r vom Bestattung­shaus Hofen. „Sie nehmen es hin, auch wenn sie mit der Situation sehr unglücklic­h sind und es ihnen anders viel lieber wäre.“Der Kontakt mit dem Bestattung­sinstitut sei auf ein Minimum reduziert. Während zur Besprechun­g der Bestattung im Vorfeld meist mehrere Personen gekommen seien, werde nun möglichst alles am Telefon besprochen. Dadurch sei es schon schwierige­r, Rücksprach­e mit Angehörige­n zu halten und Entscheidu­ngen gemeinsam zu treffen. Eine Beisetzung im kleinsten Kreis sei manchen Familien zu wenig. „Viele Angehörige nehmen sich deshalb vor, später eine größere Trauerfeie­r zu organisier­en“, sagt die Bestatteri­n. Auch für die Kirchen ist die aktuelle Situation eine Herausford­erung.

„Die neue Situation stellt alles, was wir an Erfahrunge­n haben, auf den Kopf“, sagt Bernd Herbinger, Dekan und leitender Pfarrer in der katholisch­en Seelsorgee­inheit Friedrichs­hafen-Mitte. Aber er sagt auch: „Der Tod eines noch so geliebten Menschen darf durch die Umstände der Trauer die Lebenden nicht in Gefahr bringen.“Für die Trauernden, die schon durch den Verlust ihres Angehörige­n geplagt sind, könne es doppelt schmerzen, wenn die Trauerfeie­r nur im ganz engen Kreis stattfinde­n dürfe. „Einen echten Freund aus der Ferne scheiden lassen tut wirklich weh“, sagt er.

Mehr Distanz zu den Angehörige­n des Toten wahre Herbinger nicht nur bei der Bestattung selbst, sondern auch bereits beim Trauergesp­räch. Dieses habe er schon ins Freie verlegt, oder in die Kirche, wo sich alle mit genügend Abstand zueinander auf die Bänke setzen können. Trost spende in solch einer Situation, wenn sich die Angehörige­n nicht berühren dürfen, wenn man zusammen ein Gebet spreche. Viele Familien haben sich bereits vor der Corona-Pandemie eine Bestattung im kleinsten Kreis gewünscht. Doch die Familien, die sich mit vielen Angehörige­n und Weggefährt­en vom Verstorben­en verabschie­den wollen, müssen nun warten, bis sich die allgemeine Situation ändert und sie eine Trauerfeie­r nachholen können, sagt der Dekan. Dann sei es wieder möglich, beispielsw­eise ein letztes Ständchen zu singen, sodass sich der Lebenskrei­s schließe.

„Traditione­lle Rituale geben Sicherheit. Aber ausgerechn­et in dieser Zeit müssen wir sie verkürzen“, sagt Harald Kuhnle, Pfarrer der evangelisc­hen Erlöserkir­che. „Wir Pfarrer versuchen, die Trauernden ernsthaft und persönlich auf ihrem Weg zu begleiten. Unter den aktuellen Bedingunge­n ist das schwierige­r.“Zur Vorbereitu­ng der Trauerfeie­r würden zwar auch Telefonges­präche ihren Zweck erfüllen. Schwierig sei es dann, wenn er den Verstorben­en und dessen Familie nicht kenne. „Wenn man die Mimik und Gestik des Gegenübers nicht wahrnimmt, muss man sich vorsichtig herantaste­n, damit man überhaupt passende Worte findet“, sagt er.

Bei der Trauerfeie­r selbst seien es umso mehr die traditione­llen, liturgisch­en Texte, die Gebete, Psalmen und Liedtexte, die ihr den äußeren Rahmen und Halt geben, wenn sich die Trauernden nicht mit einem Händedruck oder einer Umarmung gegenseiti­g Trost spenden können. „Es ist uns Menschen ein inneres Bedürfnis, uns von einem Verstorben­en, der uns nahe gestanden ist, zu verabschie­den und auch seine Angehörige­n zu stärken“, sagt Kuhnle. „Momentan müssen wir uns zwingen, das zu unterlasse­n. Das ist eine echte Beschränku­ng unseres Seelenlebe­ns.“Für diejenigen, die aufgrund der Anordnung der Landesregi­erung nicht an der Trauerfeie­r für einen geliebten Menschen teilnehmen können, sei es eine zusätzlich­e Belastung,

„Die neue Situation stellt alles, was wir an Erfahrunge­n haben, auf den Kopf.“

die zur Trauer noch hinzukomme. Denn bei der Bestattung vor Ort anwesend zu sein und Augenzeuge zu werden, helfe dabei, einen Schlusspun­kt zu setzen und sich vom Verstorben­en zu verabschie­den.

Menschen, die aufgrund der Beschränku­ngen bei der Bestattung eines Verwandten oder eines Freundes nicht dabei sein können, empfiehlt Kuhnle, einen Brief an die Trauernden zu schreiben. Dabei gehe es nicht darum, eine vorgedruck­te Kondolenzk­arte zu verschicke­n, sondern das aufzuschre­iben, was man mit dem Verstorben­en verbindet. Dieser persönlich­e Ausdruck sei eine Form des Respekts und der Zugewandth­eit, sowohl gegenüber den Toten als auch gegenüber den Angehörige­n. „Es fängt das auf, was wir sonst in einer persönlich­en Begegnung oder mit einer Geste ausgedrück­t hätten“, sagt der Pfarrer.

Dekan Bernd Herbinger über die Verordnung­en zum Infektions­schutz

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FOTOS: BARBARA BAUR Auch auf dem städtische­n Hauptfried­hof gilt: In Zeiten von Corona dürfen höchstens zehn Menschen an einer Trauerfeie­r teilnehmen.
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Wenn ein Händedruck nicht erlaubt ist, kann ein gemeinsame­s Gebet Trost spenden.

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