Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Merkel erlaubt sich „ein Stück Mut“
Kanzlerin und Ministerpräsidenten beschließen Lockerungen und Infektions-Notbremse
Von Kara Ballarin, Klaus Wieschemeyer und Agenturen
BERLIN/STUTTGART - Nach sieben Wochen strenger Corona-Auflagen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in Berlin weitreichende Lockerungen angekündigt. Die Kontaktbeschränkungen wurden zwar bis 5. Juni verlängert. Neu daran ist aber, dass sich künftig auch Menschen aus zwei Haushalten im öffentlichen Raum treffen dürfen. Geschäfte können ohne Begrenzung, aber unter Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen öffnen. Menschen in Pflegeheimen dürfen wieder von einer Kontaktperson regelmäßig besucht werden. Ein Notfallmechanismus soll greifen, wenn Landkreise oder kreisfreie Städte mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner über einige Tage verzeichnen. Dieser Mechanismus erlaube es, die Beschränkungen regional wieder zu verschärfen, wenn die Zahl der Neuinfektionen ansteige, so Merkel. Über das Tempo weiterer Lockerungen bestimmen die Länder in vielen Bereichen ab sofort selbst – etwa bei Schulen, Kitas und Unis, der Gastronomie, Kinos oder Opernhäusern.
„Wir können uns ein Stück Mut leisten, aber wir müssen vorsichtig bleiben“, sagte die Kanzlerin nach dem Gipfeltreffen. Die Zahlen zu den
Neuinfektionen seien „sehr erfreulich“, betonte die Kanzlerin. „Wir haben die allererste Phase der Pandemie hinter uns.“Es müsse aber immer bewusst sein, „dass wir immer noch am Anfang der Pandemie sind“. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der bereits am Vortag Lockerungen für Bayern angekündigt hatte, zeigte sich vor allem mit dem vereinbarten Notfallmechanismus zufrieden: „Diese Notbremse, das ist sozusagen die Notfallpolice.“
Deutliche Kritik an seinen Amtskollegen äußerte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Mittwochnachmittag in Stuttgart. Auch seine
Regierung habe seit Langem an einem Öffnungskonzept – einem Stufenplan mit Ampelsystem – gearbeitet, erklärte er und stellte es vor. „Wir sind damit nur nicht vor der heutigen Besprechung der Kanzlerin mit den Länderchefs hausieren gegangen – sehr bewusst, und im Gegensatz zu anderen.“Als „wichtigsten Beschluss“der Konferenz bezeichnete er, dass auf den lokalen Anstieg von Infektionen schnell vor Ort reagiert werden soll. „Wir haben ja in der Vergangenheit gesehen, dass gerade lokale Brandherde zu einem echten Problem werden können.“Zudem sprach sich Kretschmann für eine Corona-App aus.