Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ohne Frachtraum keine Rosen

Zum Muttertag steigt die Nachfrage nach Blumen wieder – Doch die Logistik macht den Floristen Probleme

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Von Gioia Forster, Annette Birschel und Larissa Schwedes

AMSTERDAM/NAIROBI (dpa) - Das große Tulpenster­ben ist vorbei. Seit in den Supermärkt­en Klopapier und Nudeln nicht mehr ganz so gefragt sind wie noch vor einigen Wochen, haben die Mitarbeite­r dort wieder Zeit, auch die Blumenstän­der zu bestücken. „Ich denke nicht, dass irgendjema­nd zum Muttertag auf irgendeine Pflanze verzichten muss“, sagt eine Sprecherin des Verbands des Deutschen Blumen-Groß- und Importhand­els. Doch entspannt hat sich die Lage noch längst nicht.

Noch vor wenigen Wochen gab es Müllberge aus Tulpen, der Absatz war in der Corona-Krise eingebroch­en. „Die Blumen wurden geerntet und zerstört“, sagt Clement Tulezi, Chef des Kenya Flower Councils, in dem nach eigenen Angaben 135 der rund 170 kenianisch­en Blumenprod­uzenten vertreten sind. Nach den Niederland­en ist Kenia der zweitgrößt­e Blumenprod­uzent für Europa. Saisonarbe­iter wurden entlassen, gut ein Drittel der rund 150 000 Angestellt­en in bezahlten oder unbezahlte­n Urlaub geschickt. Am Tiefpunkt Mitte März lag die Nachfrage bei 20 Prozent des normalen Stands, wie Tulezi berichtet.

Auch in den Auktionsha­llen der Royal Flora Holland im niederländ­ischen Aalsmeer, einem der größten Handelsplä­tze für Blumen überhaupt, bestand der Alltag noch vor einigen Wochen daraus, ungewollte Blumen zu vernichten. Nun stellt Sprecher Michel van Schie erleichter­t fest: „Die Nachfrage nimmt zu und auch der Export zieht an. Muttertag spielt dabei eine wichtige Rolle.“Auch in Kenia leichtes Aufatmen: In den vergangene­n drei Wochen sei die Nachfrage wieder gestiegen, auf rund 65 Prozent des Normalzust­ands, so Tulezi. Dass in vielen Ländern Floristen und Gartencent­er wieder öffnen, kommt auch den Produzente­n zugute.

Muttertag – das ist für Blumenhänd­ler wie Ostern für die Hersteller von Schokohase­n. Zu keinem anderen Anlass im Jahr werden mehr Blumen verkauft, da ist sich die Branche ziemlich einig. Doch wie schon Ostern fällt auch der Muttertag in diesem Jahr in eine außergewöh­nliche Zeit. Zum Schutz vor Corona dürften viele Menschen ihre Mutter am Sonntag nicht wie sonst persönlich besuchen.

In Holland sorgte die Pandemie schon in den vergangene­n Wochen für einen Boom im Online-Verkauf. „Leute können selbst keine Besuche machen und lassen dafür einen

Strauß besorgen“, erklärt van Schie. Sogar Arbeitgebe­r schickten in Holland ihren Mitarbeite­rn Blumen ins Homeoffice – „eine schöne Geste, um zu zeigen, dass man sie schätzt und an sie denkt“. Lieferdien­ste wie

Fleurop oder Bloom&Wild empfehlen auf ihren Webseiten, angesichts der hohen Nachfrage zum Muttertag frühzeitig zu bestellen.

„Was da ist, wird auch gekauft“, berichtet Claudia Brück, Vorstand von Transfair Deutschlan­d. Sie hat insbesonde­re den Markt der fair gehandelte­n Rosen im Blick, der in Deutschlan­d rund ein Viertel ausmacht. Doch längst nicht alle Blumen, die eigentlich in den Läden sein sollten, sind auch angekommen.

„Gerade in Krisenzeit­en braucht man Blumen, Schokolade, Honig – Dinge, die das Leben schöner machen.“

„Der Markt ist da, die Produktion­skapazität­en sind quasi da, was ganz und gar nicht da ist, sind die Frachtkapa­zitäten“, erklärt Isabelle Spindler, Geschäftsf­ührerin von Red Land Roses in Ruiru nordöstlic­h von Nairobi. Die Rosenfarm beschäftig­t rund 560 Mitarbeite­r. Wegen der Corona-Krise wurden Passagierf­lüge von und nach Kenia gestrichen, so bleiben nur die Cargoflüge. Die Kapazitäte­n reichen nicht aus und die Kosten sind viel höher als sonst, wie Spindler und Tulezi erklären. „Wir können nur 40 Prozent der Nachfrage erfüllen“, sagt der Chef des Blumenverb­andes.

„Zum Muttertag sind alle Anstrengun­gen da, dass die Logistikpr­obleme

Claudia Brück, Vorstand von Transfair Deutschlan­d

gelöst werden“, berichtet Brück von Transfair. So versuchten die Importeure und Händler etwa auf Flüge auszuweich­en, die Hilfsgüter nach Ostafrika transporti­eren und auf dem Rückweg möglicherw­eise Blumen transporti­eren könnten. Als „Ultima Ratio“erwäge man sogar, Flüge allein für den Blumenhand­el zu chartern.

In den Niederland­en hingegen, wo den Züchtern naturgemäß die langen Flüge zu den Abnehmern erspart bleiben, entspannt sich die Lage etwas schneller. Mittlerwei­le herrscht wieder Hochbetrie­b in den Hallen in Aalsmeer im Südwesten von Amsterdam. Am Montag vor dem Muttertag am 10. Mai lag der Umsatz von Royal Flora Holland bei rund 32 Millionen Euro – das waren nur 3,6 Prozent weniger als am Montag vor dem Muttertag im vergangene­n Jahr. Dabei hatten die Züchter diesmal rund 17 Prozent weniger Blumen angeboten.

Mit Prognosen hält man sich bei den holländisc­hen Nachbarn vorerst zurück. Aus Kenia klingen sie sehr verhalten: Nach dem Muttertag kommt erfahrungs­gemäß für das Blumengesc­häft eine Dürreperio­de. Diese wird in diesem Jahr wegen Corona härter sein als sonst – „dass es keine Hochzeiten geben wird, wird das Geschäft sicher beeinträch­tigen“, so Spindler. „Wir erwarten, dass sich die Industrie erst im zweiten oder dritten Monat 2021 komplett erholen wird“, meint Tulezi.

Tulpenzüch­ter Henk van der Slot aus dem niederländ­ischen Lisse bleibt trotz allem optimistis­ch: „Es hätte schlimmer kommen können“, sagte er dem „Algemeen Dagblad“. Leute würden jetzt mehr Geld für Blumen ausgeben. „Sie können nicht in den Urlaub fahren und haben Geld übrig.“Oder, wie Claudia Brück sagt: „Gerade in Krisenzeit­en braucht man Blumen, Schokolade, Honig – Dinge, die das Leben schöner machen.“

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FOTO: CAROLIN ECKENFELS Vor wenigen Wochen sind Rosen und Tulpen noch direkt vom Feld in den Müll gewandert. Mittlerwei­le ist die Nachfrage nach Blumen wieder deutlich angestiege­n. Doch noch sind längst nicht alle Probleme gelöst.

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