Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

König Fußball kann zurück auf den Thron

Politik gibt der Bundesliga grünes Licht – Bereits am 15. Mai soll der Ball wieder rollen

-

BERLIN (SID/dpa/sz) - Angela Merkel war der Fußball bei der ganzen Palette der Lockerunge­n nur einen Nebensatz wert. „Der Spielbetri­eb wird unter den genehmigte­n Regeln erlaubt“, kommentier­te die Bundeskanz­lerin ohne erkennbare Emotionen den einstimmig­en Beschluss, den sie mit den Ministerpr­äsidenten gefasst hatte. Gefühlsaus­brüche wird es dagegen bei den Clubchefs, vielen Fans – und auch den Kritikern geben. Schließlic­h hievt die Politik „König Fußball“zurück auf den Thron – der Ball wird trotz der Corona-Krise wieder rollen – und das wohl schon am 15. Mai. Bei der Videokonfe­renz Merkels mit den 16 Länderchef­s wurde der Weg für den Neustart der seit Mitte März unterbroch­enen Saison in der Bundesliga und der 2. Liga ab Mitte des Monats frei gemacht.

Wenig später kam dann die Nachricht vom genauen Datum für die beiden höchsten Ligen. „Nach Abwägung aller Argumente hat das DFLPräsidi­um am heutigen Tage im Umlaufverf­ahren beschlosse­n, den Spielbetri­eb der Bundesliga und 2. Bundesliga ab dem 15. Mai 2020 wiederaufz­unehmen“, heißt es laut „Kicker“in einem Schreiben von DFLBoss Christian Seifert an die 36 Clubs. „Wir freuen uns nun darauf, idealerwei­se schon ab Mitte Mai den Spielbetri­eb wieder aufnehmen zu können“, äußerte der Vorstandsv­orsitzende von Rekordmeis­ter Bayern München Karl-Heinz Rummenigge. So schnell kann es gehen. Und während die Kritiker von einer „ExtraStadi­onwurst für den Profifußba­ll“(Monika Lazar, Sprecherin für Sportpolit­ik/Bündnis 90/Die Grünen) sprachen oder die Entscheidu­ng ein „fatales Signal“(SPD-Politiker und Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach) nannten, reagierte die DFL erwartungs­gemäß mit großer Erleichter­ung, nachdem die Milliarden­branche nun vor dem Kollaps gerettet scheint. „Die Entscheidu­ng ist eine gute Nachricht für die Bundesliga und die 2. Bundesliga“, sagte Seifert: „Sie ist verbunden mit einer großen Verantwort­ung für die Clubs und ihre Angestellt­en, die medizinisc­hen und organisato­rischen Vorgaben disziplini­ert umzusetzen.“

DFB-Präsident Fritz Keller bedankte sich für einen „Vertrauens­beweis der Gesundheit­sbehörden und der Politik“. Es sei ein „erster Schritt, Sport wieder sichtbar stattfinde­n zu lassen, der Hoffnung darauf macht, dass der Fußball sukzessive in den Alltag der Menschen zurückkehr­t, wenngleich zunächst via Fernsehübe­rtragungen in die Wohnzimmer“.

DFB-Direktor Oliver Bierhoff sprach von einer Vorreiterr­olle des deutschen Fußballs und der Bundesliga, aus der sich „auch mit Blick auf die Ausrichtun­g möglicher Länderspie­le wichtige Impulse ergeben können“. Bundestrai­ner Joachim Löw freut sich, „wenn unsere Nationalsp­ieler wieder in einen Wettkampfm­odus kommen“.

Noch stehen neun Spieltage aus. „Der Kompromiss beim Fußball ist absolut vertretbar – auch wenn das Thema kontrovers ist“, sagte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder. Die zuvor im Gespräch gewesene Quarantäne der Mannschaft­en von zwei Wochen vor dem Ligastart ist laut Merkel aufgrund der regelmäßig­en Tests bei den Profis nicht nötig. Rund 20 000 Tests wird der

Profifußba­ll wohl bis zum Saisonende benötigen. In einer ersten Testreihe hatte es bei 1724 Tests insgesamt zehn positive Fälle gegeben.

„Wichtig ist, dem Profisport insgesamt eine Perspektiv­e zu geben“, sagte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn im ZDF: „Auch viele Millionen Fans fragen natürlich, wann es wieder losgehen kann. Es gibt sehr gut ausgearbei­tete Konzepte, wenn die gelebt und umgesetzt werden, kann man mit einem solchen Kontaktspo­rt wieder starten.“

Den Kampf um ihre Existenz, bei dem es um etwa 770 Millionen Euro, die Zukunft zahlreiche­r Vereine und 56 000 Arbeitsplä­tze geht, hat die Milliarden­branche erst einmal gewonnen. Nun soll die Spielzeit im besten Fall bis Ende Juni zu Ende gebracht werden. Und noch etwas bringt die Entscheidu­ng mit sich: Durch den Start im Mai wird die Bundesliga mit einem Schlag zum Weltmarktf­ührer, da die anderen Topligen noch wesentlich weiter von einem Wiederbegi­nn (falls es den überhaupt geben wird) entfernt sind. Allerdings wird die Liga auf Bewährung

spielen. Vor allem das entlarvend­e Video des Berliners Salomon Kalou hat den schmalen Grat aufgezeigt, auf dem der Fußball wandelt. „Ich kann nur appelliere­n: Es sollten auch Spieler, die sich unvernünft­ig verhalten, mit Konsequenz­en rechnen müssen. Es war von dem einen Spieler von Hertha BSC schon ein schweres Eigentor“, sagte Söder. Jens Spahn sagte mit Blick: „Ich kann nur empfehlen, allen Mannschaft­en und jedem Spieler, auch nach den Erfahrunge­n der letzten Tage, das alles sehr, sehr ernst zu nehmen.“Die Entscheidu­ng zugunsten des Profifußba­lls ist laut des CDU-Politikers ein „Vertrauens­vorschuss“.

Auch Nationalma­nnschaftsa­rzt Tim Meyer, der das DFL-Konzept für den Neustart als Leiter der Taskforce entwickelt hat, sieht den weiteren Saisonabla­uf vornehmlic­h durch mögliches Fehlverhal­ten der Beteiligte­n gefährdet. „Es ist umso wichtiger, dass alle extreme Disziplin wahren“, sagte Meyer bei Sport1: „Wenn diese Disziplin nicht eingehalte­n wird, dann kann das beste Konzept ins Wanken geraten.“

 ?? FOTO: MIKA VOLKMANN/IMAGO IMAGES ?? Der Ball wird wieder rollen. Allerdings ohne Zuschauer, aber das ist erst einmal zweitrangi­g.
FOTO: MIKA VOLKMANN/IMAGO IMAGES Der Ball wird wieder rollen. Allerdings ohne Zuschauer, aber das ist erst einmal zweitrangi­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany