Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

In Krisenzeit­en wächst die Spendenber­eitschaft

Wegen Corona weniger Bedarf an Blut – Höhere Vorsichtsm­aßnahmen bei der Abgabe

-

Von Michael Panzram

RAVENSBURG - Täglich werden in Deutschlan­d etwa 15 000 Blutspende­n gebraucht. Die Spendenber­eitschaft in der Bevölkerun­g ist dagegen vergleichs­weise niedrig – außer in ungewöhnli­chen Zeiten. In der Corona-Krise kann sich das Deutsche Rote Kreuz (DRK) deshalb vor Anfragen kaum retten.

So ernst die Lage weltweit aktuell sein mag, bei einer Frage kann sich Eberhard Weck das Lachen nicht verkneifen. Es ist ein Lachen, das von Herzen kommt, weil es so etwas wie Erleichter­ung und Freude ausdrückt. Die Frage lautet: Spürt er bei den Menschen eine gesteigert­e Angst, sich bei einer Blutspende anzustecke­n? Nein, sagt der lachende Leiter des Bereichs Presse- und Öffentlich­keitsarbei­t beim DRK-Blutspende­dienst Baden-Württember­g/Hessen, im Gegenteil. „Weil die Leute etwas Gutes für ihren Nächsten tun wollen, haben wir mehr Spendewill­ige als sonst. Auch solche, die zum ersten Mal spenden wollen“, sagt Weck. Wollen, weil das DRK momentan längst nicht alle Anfragen hin zu einem Termin führt. Vielmehr würden viele gebeten, mit einer Spende noch zu warten. Denn eventuell werden sie schon in ein paar Wochen gebraucht.

In Baden-Württember­g und Hessen würden in normalen Zeiten etwa 2600 Blutspende­n pro Tag gebraucht, aktuell seien es eher 1800, sagt Weck. Das liege vor allem daran, dass nicht zwingend notwendige Operatione­n zurückgest­ellt seien, um die Krankenhäu­ser frei für Corona-Patienten zu halten. Da aber damit zu rechnen sei, dass in den Kliniken wieder auf so etwas wie Normalbetr­ieb hochgefahr­en wird, gehe er davon aus, dass schon bald wieder normaler Bedarf herrscht. Weil aber gespendete­s Blut nicht lange haltbar sei, bringe es nichts, jetzt eine Reserve anzulegen. Sonst könnten das Ergebnis einer gesteigert­en sozialen Ader im Abfalleime­r landen. Als etwa nach den Attentaten am 11. September

2001 die Spendenber­eitschaft emporschne­llte, mussten Zehntausen­de Konserven weggeschmi­ssen werden, erzählt Weck. Ähnlich war es nach der schweren Zugkatastr­ophe von Eschede mit etlichen Verletzten drei Jahre zuvor.

Dem DRK hilft aktuell, dass es in Corona-Zeiten die Spender dazu auffordert, einen Termin zu machen. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass im Spendezent­rum kein Massenandr­ang herrschen soll, der wiederum den Mindestabs­tand schwierig machen würde. Wegen der erhöhten Sicherheit­smaßnahmen werden die Spendenter­mine bewusst klein gehalten. Oftmals werden sie auf mehrere Tage in einer Stadt verteilt. Wer zur Spende kommt, muss – im Unterschie­d zu normalen Zeiten – zunächst seine Körpertemp­eratur messen lassen und bekommt einen einfachen Mundschutz. Den tragen selbstvers­tändlich auch alle Ärzte, um die Ansteckung­sgefahr niedrig zu halten. Auch wegen dieser Vorkehrung­en müssten die Menschen keine Angst zu haben, sich zu infizieren, sagt Weck: „Die Gefahr im Supermarkt ist wesentlich höher.“Und: „Bei einer Blutspende arbeiten Profis.“Einer dieser Profis ist der Isnyer Notarzt Wolfgang Dieing, der die vier Tage dauernde Blutspende­aktion in der Schulmensa koordinier­te: „Aus der Not wurde eine ideale Situation geboren, alle schaffen mit. Die Disziplin, auch der Spender hinterher, ist phänomenal“, lobt er das Verhalten von medizinisc­hem Personal und solchen, die ihr Blut geben, um Leben zu retten.

Im Namen dieser Profis hat Eberhard Weck noch eine große Bitte: Wer wissentlic­h Kontakt zu einem Corona-Infizierte­n hatte, soll erst gar nicht zur Spende kommen. Ebensoweni­g jemand, der zuletzt noch irgendwo in Skigebiete­n wie Ischgl unterwegs war. Denn so jemand werde sicher nicht zugelassen. Auf alle anderen Spendewill­igen freut sich Weck natürlich, auch wenn er den einen oder anderen auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten muss.

 ?? FOTO: THOMAS FREY/DPA ?? In der Corona-Krise wollen deutlich mehr Menschen zur Blutspende kommen als zuvor. Das DRK kann sich vor Freiwillig­en kaum retten.
FOTO: THOMAS FREY/DPA In der Corona-Krise wollen deutlich mehr Menschen zur Blutspende kommen als zuvor. Das DRK kann sich vor Freiwillig­en kaum retten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany