Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Neuentdeck­ung der Seidenstra­ße

Wie das Friedrichs­hafener Logistikun­ternehmen ISDB ganz Europa mit Masken und Handschuhe­n aus China versorgt

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Von Martin Deck

FRIEDRICHS­HAFEN - Als Dalibor Buspanovic im vergangene­n Jahr entschied, mit seiner Speditions­firma in den chinesisch­en Markt einzusteig­en, konnte er nicht ahnen, dass er wenige Monate später zu einem wichtigen Akteur im Kampf gegen eine weltweite Pandemie werden würde. Das Telefon des Friedrichs­hafener Unternehme­rs hört aktuell nicht mehr auf zu klingeln. Am anderen Ende der Leitung sind Kunden aus ganz Europa, die Buspanovic­s Firma ISDB mit dem Transport von Schutzmask­en, Handschuhe­n und Hygieneart­ikel aus China beauftrage­n wollen. „Die Nachfrage ist so groß, dass wir keine neuen Kunden mehr annehmen, da wir dann unsere gewohnte Qualität nicht mehr garantiere­n könnten“, sagt der Geschäftsf­ührer.

Vor wenigen Wochen sah die Lage noch ganz anders aus. Mit der Corona-Krise waren die Transporte aus China über Kasachstan, Russland, Weißrussla­nd und Polen nach Westeuropa zunächst zum Erliegen gekommen. Das gerade erst neu aufgebaute Netzwerk nach Ostasien schien für ISDB zur großen Fehlinvest­ition zu werden. „Als Covid kam, dachten wir, das bricht uns das Genick“, berichtet Buspanovic – mittlerwei­le ist er allerdings wieder recht gut gelaunt. Denn nach und nach nahm das Geschäft mit Transporte­n aus China wieder Fahrt auf – vor allem weil Buspanovic sein Geschäft anpasste.

Eigentlich hatte er den Schritt nach China gewagt, um Medikament­e, Elektronik­artikel und LithiumBat­terien nach Europa zu schaffen, die als Gefahrgut nicht per Flugzeug befördert werden dürfen. Auch jetzt machen diese Waren einen großen Teil der Lieferunge­n von ISDB aus. Neu hinzugekom­men ist in der Pandemie aber der Transport dringend benötigter Schutzmate­rialien. Allein in der vergangene­n Woche hat das Friedrichs­hafener Logistikun­ternehmen

zwei Millionen Mund-und-Nasenschut­ze nach Spanien und 1,8 Millionen medizinisc­he Schutzmask­en nach Bremen und Hamburg geliefert. Aktuell sind 40 Lastwagen im Auftrag von ISDB unterwegs, um Desinfekti­onsmittel aus China nach Europa zu bringen.

Die alte Seidenstra­ße, auf der über Jahrhunder­te nicht nur Seide, sondern auch Waren wie Gewürze, Porzellan und Schwarzpul­ver transporti­ert wurden, bekommt in der

Krise eine ganz neue Bedeutung. „Was sie früher mit Kutschen gemacht haben, machen wir jetzt mit LKW. Das hat vor hundert Jahren schon funktionie­rt und jetzt immer noch.“Buspanovic muss aber zugeben, dass die Straßenver­hältnisse auf dem Weg aus Asien durch Osteuropa nach Zentral- und Westeuropa mittlerwei­le deutlich besser sind, als vor 150 Jahren. „Da gibt es eigentlich keine Probleme. Nur in Kasachstan müssen die LKW auf einer Strecke von 250 bis 300 Kilometer auf Kies fahren.“

Zwar sei der Landtransp­ort nicht so schnell wie Luftfracht, aber laut Buspanovic 70 Prozent billiger. Mit dem LKW komme die Ware zudem deutlich schneller nach Europa als auf dem üblichen Handelsweg per Schiff. Aktuell benötigten seine Fahrer 16 bis 19 Tage für die 13 500 Kilometer von Schanghai nach Madrid, ein Schiff brauche 33 bis 38 Tage. Bei der Bahn gebe es aktuell große Schwierigk­eiten, die leeren Container wieder zurück nach China zu bringen. Das führt dazu, dass die Nachfrage bei ISDB enorm angestiege­n ist. „Das gleicht immerhin das aus, was wir in Europa aktuell verloren haben“, sagt der Geschäftsf­ührer, meint aber, dass die Situation bei

Weitem keine Jubelstürm­e bei ihm auslöst. „Das Geschäft wäre deutlich besser gewesen, wenn es Covid nicht gegeben hätte.“Immerhin habe der neue Auftragssc­hub dafür gesorgt, dass Buspanovic alle seine 57 Mitarbeite­r (21 in Friedrichs­hafen, 36 in Osteuropa) halten konnte.

Und die braucht es auch. Schließlic­h ist der bürokratis­che Aufwand enorm, um die Lieferunge­n aus Asien möglichst reibungslo­s nach Europa zu bringen. Jeder Fahrer, der nach China einreisen möchte, muss vorweisen, dass er kein Fieber hat, jeder LKW mit Foto angemeldet werden. Bei der Verladung herrschen strenge Hygienevor­schriften. Auch die Ware muss gut geprüft werden. Da in den vergangene­n Wochen viele ungeprüfte Medizinpro­dukte aus China nach Europa gelangten, hat die chinesisch­e Regierung Anfang April eine sogenannte White List über in China zugelassen­en Produzente­n veröffentl­icht. Nur wenn der Hersteller auf dieser Liste aufgeführt ist, erlaubt der chinesisch­e Zoll die Warenausfu­hr. „Wir müssen eine Menge beachten“, sagt Dalibor Buspanovic.

Den Transport von und nach China möchte er auch deshalb vorerst nicht weiter ausbauen. „Wir wissen aktuell einfach nicht wie es weitergeht und wie sich die Nachfrage langfristi­g entwickelt“, sagt der ISDB-Geschäftsf­ührer. Immerhin weiß er mittlerwei­le, dass seine Entscheidu­ng für China im vergangene­n Jahr die richtige war.

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FOTO: ISDB In Schanghai verladen Arbeiter Kisten mit Schutzmask­en in einen Transporte­r, der die Ware im Auftrag der Spedition ISDB nach Europa bringt.
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FOTO: G. KRAM Dalibor Buspanovic

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