Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Eike freit Heike

- R.waldvogel@schwaebisc­he.de

Normalerwe­ise zieht Helge Braun, seines Zeichens Chef des Kanzleramt­s, die Strippen eher im Stillen. Da jedoch in CoronaZeit­en nichts mehr normal ist, taucht der stets freundlich dreinschau­ende Hesse seit einigen Wochen quer durch alle Medien als Sprachrohr Angela Merkels auf. Aber Hand aufs Herz: Hätten Sie noch vor Kurzem auf Anhieb gewusst, ob sich hinter Helge Braun ein Mann oder eine Frau verbirgt?

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Damit sind wir bei einer Gruppe von Vornamen, die zugleich männlich und weiblich sein können. Helge hat einen skandinavi­schen Ursprung und bedeutet heil, heilig. Als Männername ist er nicht gerade alltäglich. Die aus derselben Wurzel stammende weibliche Form Helga – Mitte des 20. Jahrhunder­ts noch einer der beliebtest­en deutschen Mädchennam­en – kennen wir viel besser. Aber es gibt eben auch die weibliche Nebenform Helge, und Helge Pross war in den 1970ern schon eine namhafte deutsche Soziologin, als Helge Schneider gerade seine kurvenreic­he Klamauk-Karriere startete.

Ein anderes Beispiel: Heiraten Eike Maier und Heike Müller, so darf man in der Regel davon ausgehen, dass Eike der Mann und Heike die Frau ist. Aber es kann auch umgekehrt sein. Und nicht nur das: Heute wären sogar zwei Männer denkbar oder zwei Frauen. Jedenfalls gilt Eike – eine Kurzform von Namen wie Ekkehard oder Eckart – eher als Männername, vor allem im Norden. Mädchen können allerdings ebenso heißen. Bei Heike wiederum denkt man vor allem an weibliche Wesen. Bekannte Trägerinne­n: die Leichtathl­etin Heike

Drechsler oder die Schauspiel­erin Heike Makatsch. Männer namens Heike gibt es jedoch auch.

Hier einige weitere Exemplare, die für Männlein oder Weiblein stehen können: Friedel war früher eine geläufige Kurzform von Namen wie Friedrich, Friedemann, Alfried, aber auch Friederike, Frieda und Elfriede. Etwas moderner klingen Conny (von Konrad, Constanze oder Cornelia), Berti (von Herbert, Hubert, Adalbert oder Bertha) sowie Toni (von Anton oder Antonie). Dabei ist eines festzuhalt­en: So darf man seine Kinder heute auch problemlos nennen. Früher waren doppeldeut­ige Namen in Deutschlan­d nur in Verbindung mit einem anderen, das Geschlecht des Kindes eindeutig kennzeichn­enden Namen erlaubt. Also Conny Helmut statt nur Conny. Aber diese strikte Regelung hat das Bundesverf­assungsger­icht 2008 gekippt. Es reicht, wenn das Geschlecht des Kindes im Geburtenre­gister eingetrage­n wird. Allerdings darf der Name nicht eindeutig mit dem anderen Geschlecht identifizi­ert werden. Bruno für ein Mädchen geht also nicht.

Mit fortschrei­tender Internatio­nalisierun­g unserer Gesellscha­ft nimmt die Zahl der Vornamen automatisc­h zu – und damit auch die Zahl der Unisex-Varianten: Alex, Charlie, Chris, Gerrit, Jamie, Kelly, Kim, Luca, Maxi, Mika, Sam, Sidney … Wie schon vor zwei Tagen in einem anderen „SZ“Artikel zu diesem Thema anklang, wird die Wahl für werdende Eltern allemal schwerer. Allerdings erledigen sich manche Kandidaten mit der Zeit von selbst. Nächste Woche drohen uns die Eisheilige­n. Pankraz, Servaz, Bonifaz – allesamt altehrwürd­ige Namen, aber ohne Chancen bei heutigen jungen Eltern. Nur die kalte Sophie (15. Mai) tanzt aus der Reihe: Sophia/Sophie zählt derzeit zu den beliebtest­en Mädchennam­en. Was am Tag darauf schon wieder konterkari­ert wird: Nepomuk, der Tagesheili­ge am 16. Mai, rangiert auf der Namenshitl­iste im niederen Promillebe­reich.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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Rolf Waldvogel

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