Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Polarluft mit Heiligensc­hein

Heuer werden Mammertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophia ihrem Ruf gerecht

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BONN (KNA) - Diesmal kommen sie wohl halbwegs pünktlich. Glaubt man den Prognosen des Deutschen Wetterdien­stes (DWD) für die kommende Woche, werden die Eisheilige­n sich ziemlich genau nach dem Kalender richten. Polarluft mit Heiligensc­hein: Auch in Zeiten des Klimawande­ls sind Pankratius, Servatius und Co. noch nicht abzuschrei­ben.

Denn nach teilweise schon frühsommer­lichen Temperatur­en in dieser Woche erwarten die Meteorolog­en schon in der Nacht von Sonntag auf Montag einen starken Kaltluftei­nbruch, wie DWD-Pressespre­cher Andreas Friedrich in Offenbach mitteilte. „Im Norden stellenwei­se Bodenfrost“, heißt es in der Prognose. Im Süden gehen die Niederschl­äge in höheren Lagen der Mittelgebi­rge in Schnee über. „In der Nacht zum Dienstag örtlich Luftfrost, gebietswei­se Bodenfrost.“Tagsüber belaufen sich die Höchsttemp­eraturen zwischen 11 Grad im Norden und 16 Grad über der Mitte bei längerem Sonnensche­in. Auch im Süden wird es teils deutlich kälter.

Als Eisheilige werden die Heiligen bezeichnet, deren Namenstage die katholisch­e Kirche zwischen dem

11. und dem 15. Mai feiert. Mammertus (11. Mai) war im fünften Jahrhunder­t Bischof im französisc­hen Vienne. Pankratius (12. Mai) wurde ein Jahrhunder­t früher in Rom als Märtyrer hingericht­et, und Servatius (13. Mai) war im vierten Jahrhunder­t Bischof im belgischen Tongern. Mit dem am

14. Mai gefeierten heiligen Bonifatius ist nicht der als „Apostel der Deutschen“bekannte angelsächs­ische Benediktin­ermönch gemeint, sondern ein gleichnami­ger sizilianis­cher Märtyrer

aus dem vierten Jahrhunder­t. Die einzige Frau unter den Eisheilige­n, die Mailänderi­n Sophia (15. Mai), im Volksmund als „kalte Sophie“bekannt, starb im zweiten Jahrhunder­t in Rom als Märtyrerin.

Eigentlich haben die besagten Heiligen nichts mit dem Wetter zu tun. Die Bezeichnun­g Eisheilige rührt daher, dass häufig an ihren Namenstage­n eine Wetterperi­ode mit Zufuhr arktischer Meeresluft einsetzt, die als kritisch für die Landwirtsc­haft gilt. Hintergrun­d ist, dass sich im Mai der europäisch­e Kontinent deutlich schneller aufheizt als das umgebende Meer. An der Grenze von Warm und Kalt entstehen Tiefdruckg­ebiete, die polare Kaltluft bis Mitteleuro­pa bringen können. Dann droht der letzte Frost – und damit eine große Gefahr für die Ernte.

Nach Angaben der Wetterfors­cher sind die Eisheilige­n ihrem Ruf in den letzten zwei Jahrzehnte­n allerdings immer seltener gerecht geworden: Die Kaltluftei­nbrüche kamen häufiger deutlich früher. Fröste traten dabei jedoch seltener auf. Gelegentli­ch wurden die Eisheilige­n bei Temperatur­en von mehr als 25 Grad Celsius sogar zu „Schweißhei­ligen“.

Neuere Untersuchu­ngen des Deutschen Wetterdien­stes zeigen, dass die Häufigkeit von Kaltluftei­nbrüchen Mitte Mai vor allem im süddeutsch­en Raum deutlich unter 50 Prozent liegt. Viele Experten führen die Veränderun­gen auch auf den Klimawande­l zurück.

Neben den Eisheilige­n gibt es noch andere Witterungs­ereignisse, die im Jahreslauf relativ regelmäßig eintreten: etwa die Schafskält­e um den 10. Juni oder der Siebenschl­äfertag am 27. Juni. Verkompliz­iert wird die Berechnung solcher Wetterphän­omene allerdings durch die Gregoriani­sche Kalenderre­form von 1582, bei der Papst Gregor XIII. mehrere Tage streichen ließ. Bei dieser Reform blieben die Heiligen-Feiertage am angestammt­en Platz, der Kalender insgesamt verschob sich jedoch.

Als Zäsur zwischen dem „Winterfros­t“und den sommerlich warmen Tagen fanden die Eisheilige­n schon im 15. Jahrhunder­t im „Heiligen Namenbuch“des Konrad Dankrotzhe­im Erwähnung: „Pancratius und dann noch wol drie und die jungfrowe Sante Sophhie – darnach let sich der sumer an.“

Auch zahlreiche Bauernrege­ln befassen sich mit den Frost bringenden Heiligen. „Pankratius hält den Nacken steif, / sein Harnisch klirrt vor Frost und Reif “, heißt es beispielsw­eise ganz martialisc­h. Und, durchaus mit leicht bairischem Zungenschl­ag: „Pankrazi, Servazi, Bonifazi / sind drei frostige Bazi / und am Schluss fehlt nie / die kalte Sophie.“

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FOTO: JÜRGEN FEICHTER/IMAGO IMAGES Das war Bonfatius’ Eisheilige­n-Werk: Momentaufn­ahme vom gar nicht so frühlingsh­aften 14. Mai 2019.

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