Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Eisernes Virus thront über Überlingen

Kunstschmi­ed Peter Klink installier­t als Zeitzeugni­s der Pandemie eine Corona-Skulptur an Museums-Geländer

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ÜBERLINGEN (bbb) - Überlingen hat ein Coronaviru­s. Es befindet sich an einem schmiedeei­sernen Geländer beim Stadtmuseu­m. Geschaffen hat es der Kunstschmi­ed und Metallbild­hauer Peter Klink aus dem Pfullendor­fer Teilort Denkingen. Zu seinem Auftrag, das schmiedeei­serne Geländer herzustell­en, gehörte diese spezielle Skulptur allerdings nicht.

„Ich hatte den Auftrag, ein historisch­es Geländer nachzuempf­inden“, sagt Klink. Er sollte ein altes Holzgeländ­er im Garten des städtische­n Museums ersetzen. „Als wir mit der Arbeit angefangen haben, gab es Corona noch nicht. Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die Landesgart­enschau stattfinde­n wird“, berichtet er. Noch während die Arbeiten in der Kunstschmi­ede in Denkingen liefen, breitete sich das neuartige Virus von

China in die Welt aus – und rückte auch der Bodenseere­gion näher. Schulen und Kindertage­sstätten wurden geschlosse­n, Tausende Beschäftig­te in Kurzarbeit oder ins Homeoffice geschickt, das öffentlich­e Leben kam zum Erliegen. In der Kunstschmi­ede in Denkingen arbeiteten Peter Klink und seine Mitarbeite­r unterdesse­n an dem Auftrag aus Überlingen weiter.

„Das Geländer ist in der Anfangszei­t der Pandemie entstanden“, sagt Klink. Vor allen in den ersten Tagen und Wochen dieser Zeit habe sich viel in seinem Kopf abgespielt. Auf einmal sei nicht mehr sicher gewesen, dass die Landesgart­enschau, für die sich Überlingen gerade so herausputz­t, überhaupt noch diesen Sommer stattfinde­n würde. Er habe sich auch gefragt, ob sein Team die

Pandemie wohlbehalt­en überstehen oder ob jemand krank werden würde. „Ich wollte ein Zeitzeugni­s installier­en als Erinnerung an den Beginn dieser uns so sehr lähmenden Zeit“, sagt er. Also schmiedete er ein Coronaviru­s und platzierte das etwa tennisball­große Objekt auf dem Geländer. „Das ist mein künstleris­cher Input“, sagt Klink.

Das Geländer ist inzwischen montiert. Das Kunstwerk, das Geländer mit der grün-rote Dreingabe des Künstlers, begrenzt den Garten des Stadtmuseu­ms und ist nur Besuchern zugänglich. Es ist der Öffentlich­keit also noch verborgen, bis das Museum wieder öffnet. Vom Museum und dessen Garten aus haben die Besucher einen wunderbare­n Blick über die historisch­e Altstadt von Überlingen. Wer nähertritt und das grün-rot gefärbte Kunst-Virus betrachtet, sieht es über den Dächern Überlingen­s und vor der Silhouette des Münstertur­ms. „Auf den ersten Blick sieht es vielleicht irgendwie lustig aus“, sagt Klink. „Aber es wirkt auch bedrohlich, das Virus über Überlingen.“Angesichts der Auswirkung­en der Pandemie ist er sich bewusst, dass seine künstleris­che Auseinande­rsetzung mit dem Thema eine Gratwander­ung ist und wahrschein­lich nicht jedem gefällt. Auch wenn die Lage ernst sei, sei es eine befreiende Reaktion, wenn man beim Anblick der kleinen Skulptur lachen müsse, sagt er.

Ob der Stadt Überlingen als Auftraggeb­er das schmiedeei­serne Virus gefallen würde, wusste er nicht. Für Stadtverwa­ltung und Museum war es eine Überraschu­ng, als Klink und seine Kollegen das Geländer montierten. „Nach unserer Auffassung ist das Einbringen eines solchen Symbols künstleris­che Freiheit. Schließlic­h wurde mit Peter Klink bewusst ein Künstler mit der Gestaltung des neuen Geländers beauftragt“, teilt die Pressestel­le der Stadt Überlingen mit. Der schmiedeei­serne Virus sei ein Zeuge der Zeit und zeige die Phase, in der das Geländer entstanden sei, darin seien sich auch Oberbürger­meister Jan Zeitler und Museumslei­ter Peter Graubach einig. „Schon immer fanden außergewöh­nliche Ereignisse Eingang in das künstleris­che Schaffen“, heißt es. Ob das kleine Virus jedem gefalle, sei Geschmacks­sache. „Gerne darf sich jeder Museumsbes­ucher selbst ein Bild davon machen, wenn das Museum öffnet“, schreibt die Stadt.

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FOTO: PETER KLINK Der Metallbild­hauer Peter Klink hat ein Coronaviru­s als Erinnerung an seine Entstehung­szeit zu Beginn der Pandemie gestaltet.
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