Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Chronik einer nicht angekündigten Krise
Stadtverwaltung wird im Finanz- und Verwaltungsausschuss über die bisherige Corona-Krise berichten
Von Ralf Schäfer
FRIEDRICHSHAFEN - Seit Ende Februar und Anfang März ist Corona auch in Friedrichshafen ein tagesbestimmendes Thema. Der am Montag ab 16 Uhr in der Messe tagende Finanzund Verwaltungsauschuss des Gemeinderates wird von der Stadtverwaltung über die Chronologie der Krise aus Sicht der Stadtverwaltung informiert.
Hintergrund ist zunächst, die Entscheidungen der Stadtverwaltung „transparent darzustellen“. Gleichzeitig will die Stadt versuchen, einen Ausblick auf die Zukunft zu geben.
„Am 31. Dezember informieren die chinesischen Behörden die Weltgesundheitsorganisation über mehrere Fälle einer mysteriösen Lungenkrankheit in Wuhan“, so beginnt der Rückblick der Stadtverwaltung in dem Bericht, der hier zusammengefasst dargestellt werden soll.
25. Februar: Eine erste Erkrankung wird in Baden-Württemberg bestätigt. Die Schulen sind wegen der Fasnetsferien noch geschlossen. Gleichzeitig sind viele Menschen im Urlaub, auch in Gebieten, die das Robert-Koch-Institut zu Risikoregionen einordnet.
27. Februar: Die Stadt bestellt mobile Desinfektions-Spender für städtische Gebäude. Ausgeliefert werden die aber wegen Lieferengpässen nicht. Am Abend dieses Tages findet eine erste Besprechung von Vertretern der Stadt und des Landkreises in der Feuerwache Friedrichshafen statt. Notwendige Maßnahmen laufen bereits an.
29. Februar und 1. März: Die Stadtverwaltung nimmt Kontakt zu Mitarbeitern auf, die in Urlaub sind oder aus Risikogebieten zurückkehren. Hinweisschilder werden verteilt. „Ziel ist es, Rückkehrer aus Risikogebieten von den städtischen Gebäuden fernzuhalten und den persönlichen Kontakt zu anderen Mitarbeitenden und damit eine mögliche Ansteckung zu verhindern“, schreibt die Verwaltung.
2. März: Erstmals kommt der Krisenstab der Stadtverwaltung zusammen. Bürgermeister Dieter Stauber leitet diesen Krisenstab, der als „Lenkungsgruppe
Corona“bezeichnet wird. Mit dabei sind Vertreter unterschiedlicher Verwaltungsbereiche und des Personalrates. Diese Lenkungsgruppe berät ab sofort die Verwaltungsspitze und bereitet Entscheidungen vor.
5. März: Die Messe Friedrichshafen verschiebt die IBO und die AquaFisch. Mit diesem Schritt kommt die Krise deutlich im Bewusstsein der Bevölkerung an. Die Hinweise der Bundesregierung sorgen wenige Tage später für weitere Einschränkungen. Veranstaltungen bis zu 1000 Personen, später bis 100 Personen sollen abgesagt werden. Immer mehr Betriebe schicken ihre Mitarbeiter ins Home-Office.
8. März: Die Notfallplanung der Feuerwehr tritt in Kraft. Auch die Kläranlage gehört zur sogenannten kritischen Infrastruktur, für die ein Notfallplan zur Wirkung kommt. Dienstbetrieb wird über Schichtbetrieb sichergestellt. Und das Stadtwerk am See ist gerüstet. „Insbesondere die Versorgungssicherheit mit Strom, Erdgas, Wärme und Trinkwasser ist dauerhaft gewährleistet“, so der Bericht.
11. März: Die Stadtverwaltung lädt Krisenmanager aus den örtlichen Großbetrieben sowie Vertreter des Landratsamtes Bodenseekreis und der Feuerwehren ein. Von Beginn an ist es ein wichtiges Ziel, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, „um damit das Gesundheitssystem und die begrenzten Kapazitäten der Kliniken im Bodenseekreis bestmöglich vor einer Überlastung zu schützen“, so die Verwaltung. Deren Handeln wird zunehmend durch landesweite Vorgaben geprägt. Städtische Entscheidungen führen zu Einschränkungen im öffentlichen Leben. Am gravierendsten wird das Verbot, sich auf Bänke am Ufer zu setzen, wahrgenommen. Andererseits schränkt die Stadt Dienstleistungen ein, Gremiensitzungen finden nicht statt und öffentlich zugängliche Bereiche im Rathaus werden für den Aufenthalt gesperrt. An dieser Stelle betont die Stadt, dass sie alle Entscheidungen „unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und dem Aspekt des Infektions- und Bevölkerungsschutzes“abgewogen habe.
13. März: In Ettenkirch werden Kita und Schule geschlossen, weil ein Elternteil eines Kindes positiv auf das Corona-vrus getestet wird. Ab dem 17. März werden auch alle anderen Kitas und Schulen geschlossen, das gibt die Landesregierung bekannt.
Nach und nach werden Veranstaltungen abgesagt, Alten- und Senioreneinrichtungen sowie das Klinikum Friedrichshafen dürfen nicht mehr betreten werden. Die Notbetreuung in den Kitas und Schulen beginnt.
16. März: Ein hohes Ansteckungspotenzial wird im Öffentlichen Personen-Nahverkehr erkannt. Daher verzichtet die Stadt ab 17. März auf Parkgebühren auf öffentlichen Stellplätzen
und dem Parkhaus im GrafZeppelin-Haus, um das Ansteckungsrisiko in Bussen und Bahnen zu reduzieren. Gleichzeitig stuft das Robert-Koch-Institut die Gefahr als hoch ein. Die Belastung des Gesundheitswesens könne örtlich „sehr hoch“sein.
23. März: Die Stadtverwaltung stellt auf Basisdienst um. Die städtischen Dienstleistungen werden damit für mindestens 14 Tage auf das Notwendigste beschränkt. Die Verwaltung stellt sich auf längere Ausnahmesituationen ein. Das Personal wird reduziert, damit eine sogenannte „Gesundheitsreserve gebildet werden kann, die die Handlungsfähigkeit der Verwaltung möglichst lange aufrecht halten kann.
18. März: In Baden-Württemberg werden laut Corona-Verordnung zeitgleich sämtliche Versammlungen und Veranstaltungen untersagt, Kirchen, Synagogen, Moscheen, Kulturund Bildungseinrichtungen bleiben geschlossen. Wenige Tage später müssen alle Restaurants und Gaststätten im Land schließen. Die Tafeln machen zu und weitere Einschränkungen führen zum Herunterfahren des öffentlichen Lebens.
27. März: Im Bodenseekreis gibt es den ersten Todesfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus.
Nach und nach ziehen die Einschränkungen an, immer mehr Appelle an die Menschen, zuhause zu bleiben, werden von der Stadt und anderen Behörden versandt.
16. April: Bund und Länder beschließen, dass Großveranstaltungen bis zum 31. August untersagt werden. Damit werden auch das Interkulturelle Stadtfest, das Seehasenfest und das Kulturufer abgesagt.
17. April: Laut eines Gemeinderatsbeschlusses werden keine Gebühren und Entgelte erhoben, wenn aufgrund der Corona-Pandemie
Leistungen der Stadt und der Zeppelin-Stiftung nicht erbracht wurden oder werden. Dabei geht es um Kindergartengebühren, Betreuungsgebühren, Schulessen, VHS-Gebühren und Musikschulgebühren. Die Grundsteuer wird einheitlich und zinslos bis zum 15. November gestundet. Die Stadt ermöglicht die Förderung von Initiativen, die in der Krise Hilfen anbieten.
2. Mai: Nach Landesbeschluss können Spielplätze und Museen ab 6. Mai wieder öffnen. Schulleitungen und Feuerwehr stimmen sich ab, den Schulbetrieb vorzubereiten. Etwa 1200 Schüler gehen wieder zur Schule, dazu kommen rund 800 Berufsschüler.
5. Mai: Die Stadtverwaltung hebt die „Allgemeinverfügung“auf. Damit gelten ab Donnerstag, 7. Mai, in allen öffentlichen Bereichen die allgemeinen Vorgaben zu Abstand und Hygiene, die die Landesregierung in der aktuellen Corona-Verordnung Baden-Württemberg vorgibt. Bis jetzt hat der Krisenstab fast 40 Sitzungen absolviert. „Als ein Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass nach dem aktuellen Kenntnisstand keine städtischen Mitarbeiter infiziert waren und sind. Unverändert gab und gibt es nach unserem aktuellen Kenntnisstand keine Corona-Infektion im Karl-Olga-Haus.
Oberbürgermeister Andreas Brand stand seit Beginn der CoronaPandemie im stetigen Austausch per Telefonkonferenz mit den Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderates. Die Sitzungen des Rates finden ab Mai wieder statt. „Die Stadtverwaltung ist auf die schnellstmögliche kontrollierte Öffnung vorbereitet. Gleichwohl wird die Corona-Pandemie anhaltende Änderungen im gesellschaftlichen Leben mit sich bringen“, schließt der Bericht, der im Ausschuss vorgestellt wird.