Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Stinksauer“: Kitas in Kressbronn bleiben zu
Bürgermeister Enzensperger zieht die Reißleine, weil das Land nicht nur ihm zufolge die Regeln zu spät festlegt
Von Tanja Poimer
SEEGEMEINDEN - Schlechte Nachrichten für Eltern: Die Kinderbetreuungseinrichtungen der Gemeinde Kressbronn werden am Montag nicht über eine Notbetreuung hinaus geöffnet. Der Bürgermeister sagt: „Für die Umsetzung von Vorgaben brauchen wir mindestens eine Woche Vorlaufzeit.“Eine Ansage des Landes fehlte jedoch – bis Donnerstagnachmittag. Dadurch werde der Schwarze Peter den Kommunen zugeschoben, was Daniel Enzensperger „stinksauer“macht. In Eriskirch ist die Lesart eine andere, und die Gemeinde Langenargen weiß noch nicht, wie sie mit der Situation umgehen soll. Stand gestern.
Um welchen Stand es sich handelt, ist in Zeiten von Corona wichtig, denn dieser kann sich schnell ändern. Am Donnerstag trudelte um 15.45 Uhr, also ungefähr einen Werktag vor der vom Land angekündigten Kita-Öffnung am 18. Mai, eine gemeinsame Pressemitteilung von Kultusministerium, Städte-, Gemeindeund Landkreistag ein. Die Kernaussage, die in den Kommunen für etwas Besänftigung sorgen dürfte: „Die Ausweitung kann selbstverständlich nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Die Träger der Einrichtungen benötigen Vorlauf für ihre Planungen und die Organisation“, teilt Kultusministerin Susanne Eisenmann mit. Die passende Verordnung werde am Samstag verkündet.
Die Umsetzungszeit ist Kressbronns Bürgermeister zufolge jedoch nur ein Problem. Denn was das Konzept vorsehe, „ist teilweise in der Praxis gar nicht umsetzbar“. Geplant ist, zur Corona-Notbetreuung einen reduzierten Regelbetrieb schrittweise auf bis zu 50 Prozent der Kinder auszuweiten. Um Begegnungen zu vermeiden, ist die Rede von einem rollierenden System. „Wir wissen nicht, wie wir das machen sollen. Das ist nicht praktikabel.“
Zum einen sei nicht klar, wie die Auswahl der Kinder erfolgt. Und zum anderen gebe es Erzieherinnen, die älter als 60 Jahre alt sind, deshalb zu einer Risikogruppe gehören und von der Präsenzpflicht befreit sind. Die Konsequenz, die Daniel Enzensperger zieht: „Unter den Voraussetzungen öffnen wir am Montag nicht.“
Wann der Zeitpunkt in Kressbronn gekommen sein wird, könne er nicht sagen, so lange das Land die Verordnung nicht fertiggestellt habe.
Was den Bürgermeister in Rage bringt: Anders als bei den Schulen liegen Kinderbetreuungseinrichtungen in der Verantwortung der Kommunen. Die Corona-Regeln erlässt aber das Land, um eine Einheitlichkeit in Baden-Württemberg zu erreichen. Das sei auch sinnvoll, allerdings fehlten der Regierung Organisationskompetenzen und Erfahrungswerte, „wie sich in den vergangenen Wochen leider immer wieder gezeigt hat“. Dazu komme, dass sich Eltern in ihrer Not und mit ihrem Ärger an ihre Gemeinde wenden würden. Die Folge: „Wir haben den Schwarzen Peter und tragen gar keine Schuld.“
Kommunale Spitzenverbände haben Daniel Enzensperger zufolge auf das Land eingewirkt, nicht an einer Öffnung am Montag festzuhalten – und wie es jetzt aussieht, kurz vor knapp Erfolg gehabt. „Wir begrüßen die nun erfolgte Klarstellung des Kultusministeriums, dass es nicht möglich sein wird, dass alle Kinder bereits am 18. Mai in ihre Kitas zurückkommen können“, sagt Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, laut Pressemitteilung. Eine schrittweise Ausweitung der Kinderbetreuung sei hochkomplex und brauche Zeit.
Der Stufenplan des Landes, den es für die Eröffnung der Kindertagesstätten
gibt, werde unterschiedlich interpretiert, stellt Eriskirchs Bürgermeister Arman Aigner fest, bevor die Position der Kultusministerin öffentlich wurde. Seine Lesart: „Ich gehe davon aus, dass wir uns in Stufe zwei und damit noch immer in der erweiterten Notbetreuung befinden.“Das bedeute, dass es in den Kindergärten in der Gemeinde, die beide kirchlich getragen sind, nach wie vor und auch ab Montag Aufnahmekriterien gibt.
Würden die Kapazitäten dann schrittweise auf 50 Prozent ausgebaut, müssten ebenfalls Prioritäten gesetzt werden, sprich: zuerst werden wie bislang Kinder betreut, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten oder deren Wohl aus Sicht des Jugendamts gefährdet ist, und schließlich andere.
„Wir wissen nicht, ob und wie wir die Kitas am Montag aufmachen“, erklärt Daniel Kowollik, Langenargens Kämmerer und zuständig für die Kinderbetreuung, nur wenige Minuten, bevor sich Susanne Eisenmann zu Wort meldete. Die Situation bezeichnete er als „absolut ungünstig“: Das Land habe die Erwartungen der Eltern geschürt, doch die Gemeinde sei nicht in der Lage diese so einfach zu erfüllen. Oder wie es Peter Kurz, Präsident des Städtetags, in der Pressemitteilung sagt: „Die Mehrheit derer, die bisher keinen Platz in der Notbetreuung hatte, wird allerdings auch bei der jetzigen Ausweitung durch die Begrenzung auf 50 Prozent der Kapazität keinen bekommen können.“